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Angriffslustig: Jörg Haider pur

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Jörg Haider rechnet mit der OVP als Partner. Gegnern wirft er „nationalsozialistische Propaganda” vor.

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Jörg Haider rechnet mit der OVP als Partner. Gegnern wirft er „nationalsozialistische Propaganda” vor.

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diefurche: Sie haben drei Säulen Ihrer „Dritten Republik” genannt Machtverzicht, Meinungsfreiheit, Menschlichkeit Wo sehen Sie diese Säulen am wenigsten verwirklicht* jörg haider: Machtverzicht hat damit zu tun, daß die politischen Parteien in Summe zu viel Einfluß auf das Leben der Bürger haben, etwa durch die parteipolitische Postenbesetzung im öffentlichen Dienst, durch Proporzregelungen bis hinein in die Österreichische Nationalbank wo nicht die Qualität der Person im Vordergrund steht, sondern wo die parteipolitische Orientierung zum Erlangen bestimmter Positionen führt. Hier wollen wir die Parteienmacht reduzieren.

Meinungsfreiheit heißt, daß wir die Monopolsituation, wie sie im Bereich der Elektronikmedien nach wie vor existiert, überwinden wollen. Daher sind wir auch zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte nach Straßburg gegangen und haben das ORF-Monopol eingeklagt, mit Erfolg, wie man weiß. Dazu gehört auch die Presseförderung, wo der Bundeskanzler jedes Jahr 300 Millionen Schilling verteilt und entscheidet, welche Zeitungen brav sind und welche nicht, welche Geld bekommen und welche keine Millionensubventionen bekommen. Das hat mit einer geistigen Freiheit nichts zu tun. Selbiges im Bereich der Kultur. Wir haben heute eine staatlich gelenkte Kultur, in der sich nur derjenige existentiell als Künstler halten kann, der den Zugang zu den Mächtigen hat oder der ihr Lied singt.

Menschlichkeit heißt, daß wir auch in Österreich die Durchsetzung von Grundrechten, von Menschenrechten, ernster nehmen sollen, als das jetzt der Fall ist. Wenn ein ausländisches Staatsoberhaupt kommt wie Li Peng, der bekannt ist dafür, daß er die Verantwortung trägt für das Morden von Tausenden chinesischen jungen Menschen am Platz des Himmlischen Friedens, da kann es kein Demonstrationsverbot geben in Österreich, wie das die Regierung erlassen hat. Das ist ein grober Bruch jeglicher Grund- und Menschenrechte, wie wir sie verstehen.

diefurche: Sie haben die Presse- und Kunstförderung angesprochen Wie könnten Sie sich ein Modell dieser Förderungen vorstellen? Haider: Wir wollen in erster Linie versuchen, einen lebendigeren Kunstmarkt zu schaffen, der durch Steuerbegünstigungen ermöglicht wird, wenn jemand Sammeln von Bildern absetzen kann. Dann wird es interessant, zu kaufen, und damit hängt der Nachwuchskünstler nicht davon ab, daß der Bürgermeister von Wien oder der Bundeskanzler bereit ist, sein Bild im Büro aufzuhängen und ihm damit einen Namen zu verschaffen. Die Frage der ganzen Kulturpolitik im Bereich des Theaterwesens kann man nur so organisieren, daß man Kulturmanagement im Sinne der organisatorischen Ver-faßtheit unserer Bundestheater vom künstlerischen Schaffen trennt. Das ist die Schwäche auch von Peymann, der durchaus ein interessanter Künstler und ein guter Regisseur ist, der aber ein fürchterlich schlechter Theaterdirektor ist und zusätzlich ein verkappter Kommunist, der seine ideologischen Wahnvorstellungen jedem aufzwingen will.

Man müßte auch im Bereich der Filmförderung einen anderen Weg gehen, als das heute der Fall ist. Heute ist der Minister die entscheidende Schlüsselstelle, die sozusagen einen Kulturbetrieb managt, der

nach stalinistischem Modell mit einer Beihe von Subalternen in ganz Österreich organisiert ist, der letztlich den Kunstschaffenden unter politische Zwänge setzt.

Bei der Presseförderung würde ich die tarifliche Begünstigung beim Postversand ausweiten auch auf andere Produkte, die als Wochenzeitungen oder als Monatszeitungen nicht in dieser Begünstigung drinnen sind. Ich würde aber diese Direktförderung an einzelne Zeitungen absolut einstellen, denn es muß ein Produkt am Markt nachgefragt werden. Dort, wo kein Käufer vorhanden ist, hat die Subvention nichts verloren.

diefurche: Ihr Modell sieht keinen Kanzler mehr vor, sondern nur einen vom Volk gewählten Präsidenten und sieben vom Parlament gewählte Minister. Wer soll die Ressorts einteilen? Sollen diese Ressorts sich ändern oder gleichbleiben?

haider: Wir würden diese Ressorts als vorgegeben definieren, die sozusagen Großbereiche erfassen, wie den Bereich Wirtschaft, Soziales, Sicherheit und Justiz oder Bildung weil wir davon ausgehen, daß ein Minister in einem Land von der Größe Österreichs ein Manager sein soll und nicht der erste Fachmann im Ressort, und als Manager in der Lage sein muß, die ihm anvertrauten Bereiche ordnungsgemäß zu administrieren. Das funktioniert in der Schweiz nicht so schlecht.

Bei uns käme noch dazu, daß der Bundespräsident durch unseren Beitritt zur EU eine starke außenpolitische Komponente bekommen hat. Das ist zwar in der Verfassung immer vorgesehen gewesen, daß der Bundespräsident die Vertretung nach außen hat, aber Klestil nimmt sie auch konkret wahr. Und so haben wir jetzt dieses sonderbare Problem, daß einer, der eine ganz wichtige Aufgabe für uns besorgt, nämlich die

Vertretung Österreichs in der EU, eigentlich parlamentarisch nicht verantwortlich ist. Diese Einbindung zu schaffen bedeutet, daß der Bundespräsident als höchster Organwalter der Republik nicht nur Vorsitzender der Regierung sein soll, sondern auch dem Parlament verantwortlich gemacht wird, was er jetzt nicht ist.

diefurche: Man hat Ihnen vorgeworfen, daß Sie eine Veranstaltung fiir die Familien der Roma-Mordopfer kritisiert und dort Auftretende als Staatskünstler diffamiert haben... haider: Ich habe es für entbehrlich empfunden, daß sich österreichische Künstler, die es nicht notwendig haben, sich vor den Karren einer Partei spannen zu lassen, zur höheren Ehre des Wiener Bürgermeisters und der SPO diese Veranstaltung mitgemacht haben und sich dabei politisch abfällig äußern. Um das geht es. Wenn ich eine Benefizveranstaltung mache, von der der ORF gesagt hat, daß Benefiz eigentlich nicht im

Vordergrund gestanden ist, sondern eher Solidarität, dann kann ich dafür noch Verständnis haben.

Wenn aber die Solidarität darin besteht, daß Repräsentanten einzelner Gruppen dort auftreten, die Politiker der Freiheitlichen Bewegung imitieren und dort allen Ernstes sagen, wir Freiheitlichen wollen nicht, daß die ethnischen Minderheiten über das ganze Land verteilt sind, sondern wir wollen sie konzentrieren in den Straflagern, dann muß ich sagen, daß das weder mit Solidarität, noch mit Benefiz, noch mit Humanität etwas zu tun hat, sondern dann ist das nackte parteipolitische Propaganda gegen eine erfolgreiche Oppositionsgruppe, wie sie Goebbels nicht hätte besser machen können.

Das ist nationalsozialistische Propaganda, die gemacht worden ist, die Hirne der Menschen unterschwellig zu erobern, indem man den politischen Gegner in einer Weise verächtlich macht, wo man wider besseres Wissen und Gewissen etwas unterstellt, was gerade der, den man hier angreift, nie wollte, nie gesagt hat und nie getan hat.

diefurche: Wenn Sie den Bombenterror mit einem „Terror der Tugendhaften” vergleichen, dann fragt man sich: Haben Sie zu Tugenden überhaupt eine Beziehung? haider: Ich habe den Bombenterror und den Tugendterror nicht auf eine Ebene gestellt, aber ich habe den Tugendterror, der auch geistig in Österreich existiert, kritisiert. Da gibt es Leute, die glauben, als Exponenten eines linken altmarxistischen Denkens können sie das Bewußtsein der Menschen manipulieren, bestimmen und die Denkkategorien vorgeben. Dagegen wehre ich mich ganz massiv. Das ist eigentlich auch der Tugendterror, den wir heute haben, daß eine Umwertung der Begriffe stattfindet. Da bekommt Gerhard Roth vom Minister Schölten den Toleranzpreis, jener Gerhard Roth, der schreibt, daß die Demokratie durch Jörg Haider gefährdet ist, und daher ist das Nachdenken über ein Attentat auf seine Person zulässig. Da sind Grenzziehungen vorzunehmen, daß doch nicht jemand als tugendhaft, als tolerant einzustufen ist, der mit Gewalt sympathisiert, weil er sich mit der Kraft der Argumente nicht durchsetzen kann.

diefurche: Wann rechnen Sie mit den nächsten Nationalratswahlen? Haider: Das hängt davon ab, wie die Reform- und Erneuerungsdiskussion

in der ÖVP abläuft. Wenn es einen Führungswechsel gibt, dann wird die nächste Nationalratswahl früher sein als 1998, wenn es keinen gibt, dann wird es den Versuch des Durchdienens geben.

diefurche: Mit welchen Politikern anderer Parteien können Sie sich nach Neuwahlen eine Zusammenarbeit der FPO vorstellen? haider: Ich glaube, daß der österreichische Bürger die Alternative hat: das Rotlichtprojekt Ampelkoalition auf der Linken oder eine bürgerliche, nichtsozialistische Koalition Mitte rechts. Da sind die Spieler ohnedies schon bezeichnet. Die Ampelkoalition ist sozialistisch, grün und „Linkes Forum” - oder Teile des Liberalen Forums, denn ich bin überzeugt, daß ein guter Teil der heutigen Parlamentsfraktion bei einer Links-Koalition nicht mitgeht. Auf der anderen Seite eine nichtsozialistische Koalition, die nach 25 Jahren lange dominierender Regierang durch die Sozialisten nicht verfrüht wäre, von ÖVP und Freiheitlichen und eventuell ein paar Liberalen.

diefurche: Halten Sie es für realistisch, daß Freiheitliche und ÖVP eine Mehrheit zustande bringen? Zerreißt es da nicht die ÖVP? haider: Wir haben 1986 eine gemeinsame Mehrheit gehabt, und die ÖVP hat nicht die Kraft gehabt, die Führung im Land zu übernehmen. Ich habe Mock die Möglichkeit gegeben, Bundeskanzler zu werden und die Führung in Österreich zu übernehmen. Er durfte damals nicht, weil die ÖVP sich gefürchtet hat vor einer Verantwortung. Wir haben 1990 die Mehrheit gehabt, die ÖVP hat sich wieder nicht getraut, wir haben 1994 eine Mehrheit, die ÖVP traut sich wieder nicht. Zu Tode gefürchtet, ist auch gestorben, langfristig, und daher muß sich die ÖVP entscheiden, will sie in Österreich in Zukunft einen Gestaltungsauftrag haben oder will sie in die Geschichtsbücher als sanft entschlafene politische Bewegung des Nachkriegsösterreich eingehen.

diefurche: Welche Personen in der OVP könnten Sie sich am ehesten als Partner vorstellen? haider: Ich habe mit niemandem ein Problem außer mit dem derzeitigen Obmann, der meines Erachtens kein bürgerlicher Konservativer, sondern ein Sozialist ist.

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