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Demokratie vor der Bewährung

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Der ominöse SA-Mann hat die Partei verlassen, und so ist aus der NSDAP eine zivile NPD geworden. Mit diesem Scherz versucht man in Westdeutschland das Unbehagen zu überspielen, das entstanden ist, seit die NPD in den bayrischen Gemeindewahlen und in den Hamburger Bürgerschaftswahlen 3,8 Prozent erhalten und damit ihren Stimmen anteil seit der Bundestagswahl (zwei Prozent) fast verdoppelt hat. Natürlich bieten diese Zahlen kaum Material, um die wirkliche Stärke der Partei zu analysieren. Schon heute aber zeichnen sich die alten Hochburgen der NSDAP in Franken und Schleswig-Holstein wieder mit Prozentzahlen 8 und 20 ab. Es zeigt sich, daß die Anfälligkeit für nationale Parolen offenbar regional gleichgeblieben ist. In Schleswig- Holstein, Franken, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz dürfte diese größer sein als im Ruhrgebiet. Der NPD-Anteil ist zwar ohne Zweifel gewachsen, doch dürfte' er heute kaum in irgendeinem Dand 5 Prozent überstiegen haben. Trotzdem sollte man die Entwicklung nicht allzu sehr auf die leichte Schulter nehmen.

Der Nährboden des neuen Nationalismus

Vielleicht wird man später einmal nach Gründen für diese Entwicklung suchen. Der Schreiber dieser Zeilen erinnert sich, vor sechs Jahren das Auftreten einer nationalistischen Partei für den Fall vorhergesagt zu haben, daß sich erste wirtschaftliche Schwierigkeiten abzeichnen. Denn so karg und antikrämerhaft sich die Nationalisten auch geben, wirtschaftliche Schwierigkeiten waren in Deutschland noch immer ein fruchtbarer Boden für nationale Parolen. Dazu kommt die Farblosigkeit des Kabinetts Erhard, seine zu offensichtliche Plan- und Ziellosigkeit, die den Hitlerschen Erfolgsanbetern Wasser auf die Mühlen gibt. Es wird daher in erster Line von der Über windung staatlicher Finanzmiseren und von politischen Erfolgen abhängen, wieweit das Kraut der NPD in den Himmel schießt. Vermeidet sie ein Verbot, das ihr bei allzu unbekümmerten Anklängen an den NS-Geist unweigerlich droht, und kann sie sich mehr auf dem dem Nationalsozialismus allerdings nahe verwandten deutschnationalen Kuns halten, so kann sie bei größeren wirtschaftlichen Schwierigkeiten auf 10 bis 15 Prozent der Wählerstimmen kommen.

Das würde die politische Landschaft in Deutschland ganz erheblich verändern. Die Frage, woher diese 10 bis 15 Prozent kommen, ist leicht zu beantworten. Sie würden zunächst einmal von den Splitterparteien und den allerdings in Deutschland nicht allzu zahlreichen Nichtwählern stammen, die in nationalen Zeiten immer zu mobilisieren sind. Die übrigen kämen von den bisherigen drei Parteien. Als erstes wäre die FDP in ihrem Bestand bedroht. Mit 8 Prozent verträgt sie keine großen Verluste. Schon in der Weimarer Zeit hat der Nationalsozialismus die liberalen Parteien zerrieben, die ihr Erbe aus der nationalliberalen Partei der Kaiserzeit nie ganz verbergen konnten. Aber nicht nur die FDP, auch CDU und SPD würden Wähler verlieren. In der CDU sind Wähler, die ihr vom BHE und der Deutschen Partei zuströmten, ebenso wie enttäuschte Erfolgsanbeter ein Reservoir für NPD-Stimmen sind. Auch in der SPD sind manche, die nationalen Parteien nicht widerstehen könnten. Die Beschränkung auf wenige Parteien bringt es ja mit sich, daß in den großen Parteien recht erhebliche Bestände an unechten Wählern sind, die sich in Zeiten der Unsicherheit abwerben lassen. Bis dahin wäre eine NPD-Bundestags- fraktion, die ja 5 Prozent der Stimmen voraussetzt, sozusagen ein Naturereignis. Erst dann beginnt die Bewährung der Demokratie.

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