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Finnlands Seiltanz

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Finnlands Staatsminister Koivisto gab in einem Fernsehinterview bedrückt zu, daß die scharfen Angriffe norwegischer Industrieller Kreise gegen die nordische Wirtschaftsunion, die von Handelsminister W i 11 o c h und einflußreichen Zeitungen unterstützt worden waren, die finnische Regierung veranlaßt haben, alle weiteren Verhandlungen um diese Wirtschaftsunion aufzuschieben. Innenpolitische Uneinigkeiten spielten ebenfalls eine Rolle, doch zu schärferen inneren Gegensätzen wäre es ohne die NORDEK-feindliche Aktivität norwegischer und zum Teil auch dänischer Wirtschaftsgruppen wahrscheinlich gar nicht gekommen, denn bis in die letzten Tage hinein beteuerten alle finnischen Parteien ihr Interesse an einer engeren nordischen Zusammenarbeit

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Finnlands Staatsminister Koivisto gab in einem Fernsehinterview bedrückt zu, daß die scharfen Angriffe norwegischer Industrieller Kreise gegen die nordische Wirtschaftsunion, die von Handelsminister W i 11 o c h und einflußreichen Zeitungen unterstützt worden waren, die finnische Regierung veranlaßt haben, alle weiteren Verhandlungen um diese Wirtschaftsunion aufzuschieben. Innenpolitische Uneinigkeiten spielten ebenfalls eine Rolle, doch zu schärferen inneren Gegensätzen wäre es ohne die NORDEK-feindliche Aktivität norwegischer und zum Teil auch dänischer Wirtschaftsgruppen wahrscheinlich gar nicht gekommen, denn bis in die letzten Tage hinein beteuerten alle finnischen Parteien ihr Interesse an einer engeren nordischen Zusammenarbeit

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Koivisto sagte jedoch auch, daß auch die Argumente der NORDEK-Freunde, nach denen der Zusammenschluß der vier Länder den Weg in die EWG erleichtern würde, die Position Finnlands (gegenüber russischen Einwendungen!) verschlechtert haben: Finnland könne nun einmal keinen Weg betreten, der in die EWG führe und der seine neutrale Haltung in Frage stellen könnte! Daß die NATO-Außenminister die auch von Finnland befürwortete Europäische Sicherheitskonferenz auf eine ferne Zukunft verschoben, das heißt, praktisch genommen, abgelehnt haben, mußte in Helsinki ebenfalls Besorgnis erregen. Nun hatte man alles getan, um für die SALT-Konferenz in Helsinki eine möglichst günstige Atmosphäre zu schaffen. Russen und Amerikaner hatten diese Verhandlungen als die sachlichsten, ruhigsten und erfolgreichsten seit vielen Jahren bezeichnet, und dann lehnte man in Brüssel die Sicherheitskonferenz unter dem Vorwand ab, daß Moskau Verhand-lungswillen zeigen und einen Erfolg der- Konferenz garantieren müsse! Berücksichtigt man noch die norwegischen Angriffe gegen die Neutralitätspolitik Finnlands und Schwedens, dann erscheint, vom finnischen Horizont aus gesehen, die außenpolitische Lage zweifellos düster. Gegen den wirtschaftlichen Teil der NORDEK-Pläne hat Finnland nach wie vor nicht das Geringste einzuwenden, doch zu Zugeständnissen auf politischem Gebiet wird sich keine finnische Regierung bereit finden, auch jene nicht, die nach Koitnsto im nächsten März gewählt werden wird.

Was die spezifisch finnischen Gründe

der NORDEK-Krise anbelangt, so muß festgehalten werden, daß Außenminister Karjalainen zweifellos die Bremsen stärker anzog, als außenpolitische Rücksichten erfordert hätten. Es gibt keinen Hinweis darauf, daß Moskau gegen die NORDEK-Pläne Stellung genommen oder gar diesen drastischen finnischen Beschluß auf Abbruch der nordischen Verhandlungen verlangt

hätte! Karjalainen und seine Parteifreunde befürchteten offenbar einen zu raschen erfolgreichen Abschluß der NORDEK-Verhandlungen, der Koivisto und seinen Sozialdemokraten eine gute Ausgangsposition im kommenden Wahlkampf gegeben hätte. Die norwegischen Querschüsse

dürften deshalb den Agrariern, denen die rechtsradikale Landvolkspartei Vennamos große Schwierigkeiten bereitet, eigentlich recht gelegen gekommen sein. Das Argument, daß so weittragende wirtschaftliche Bindungen von der neuen Regierung unterzeichnet werden sollten, kann ebenfalls nicht in den Wind geschlagen werden.

Der dänische Staatsminister Bauns-gaard hat vorgeschlagen, die Verhandlungen ohne Finnland — oder möglicherweise nur mit finnischen Beobachtern — zu Ende zu führen. Die Norweger benützen den finnischen Umfall, um zu betonen, daß man ohne Finnland überhaupt keine Wirtschaftsunion bilden könne, was zweifellos falsch ist, denn drei können sich immer noch leichter einigen als vier. Dänemark wäre durchaus einverstanden, statt der NORDEK eine SKANDEK zu büden und Finnland die spätere Assoziierung freizustellen. Schweden möchte, wenn irgend möglich, die Union in der ursprünglich gedachten Form retten.

Politik der kleinen Schritte Bei der Beurteilung der Situation sollte man nicht vergessen, daß die Zusammenarbeit im Norden bereits einen hohen Grad erreicht hat und daß sie — ob mit oder ohne NORDEK — ununterbrochen verstärkt wird. Vielleicht ist diese Politik der kleinen Schritte wirklich der richtige Weg. Erst in den letzten Tagen hat man neue Abkommen über die An-gleichung sozialer Leistungen in den nordischen Ländern und die Übertragbarkeit sozialer Ansprüche getroffen. Diese Annäherung geht also pausenlos weiter, wenn auch einige der wichtigsten Fragen, wie etwa der gemeinsame Landwirtschäftsmarkt, die Atomenergiezusammenarbeit und die Schaffung einer interskandinavischen Investitionsbank wahrscheinlich nur im Rahmen einer Wirtschaftsunion gelöst werden können.

Ganz sicher aber können sie am leichtesten gelöst werden, wenn wirtschaftliche Fragen unabhängig von der Außenpolitik der betreffenden Länder in Angriff genommen werden können. In der Frage der Außenpolitik und der Sicherheitspolitik wird man diese vier Länder niemals unter einen Hut bringen können!

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