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Sorgen um Finnland

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Die Außenpolitik Finnlands ist für viele 'ausländische Beobachter immer noch ein Buch mit sieben Siegeln. Anderseits muß man zugeben, daß es die Regierung Finnlands und ihr Präsident Kekkonen den politischen Zeichendeutem nicht gerade leicht machen: Jeder erinnert sich noch an finnisch-russische Anglerausflüge in die finnischen Schären, an überraschende finnische Jagdausflüge nach Kardien und an zwischenstaatliche Saunabesuche, bei denen es nicht die Finnen waren, die bei einer Dampftemperatur von 90 Grad auf der Strecke blieben. In den letzten Tagen hatten wir den Kekkonen-Besuch in Leningrad, Konferenzen an abgelegenen Orten, einen gleichzeitigen Besuch Außenminister Kar-jalainens in Warschau, die Ankündigung, daß der sowjetische Staatspräsident N. V. Podgorny im Juni schon Finnland besuchen werde, und nun auch noch die Mitteilung, daß Präsident Kekkonen im August, zusammen mit Kossygin, eine Fußwanderung durch den Kaukasus vornehmen werde. Die Außenpolitik Finnlands wandelt wahrlich auf seltsamen Wegen.

In Leningrad ist mit Sicherheit der russische Vorschlag auf umfassende Erdgaslieferungen an Finnland (und möglicherweise auch an Schweden und Dänemark!), die Lieferung eines Atomkraftwerkes an Finnland, die Nordische Wirtschaftsunion und die von Finnland angeregte europäische Sicherheitskonferenz besprochen worden. In den Fragen eins und zwei möchten die Finnen den Russen gern entgegenkommen, um sich die Handlungsfreiheit in der Frage drei zu sichern. Das scheint eine durchaus vernünftige finnische Politik zu sein, die man allerdings gegen einen Teil der Rechtsparteien durchsetzen muß. Zur Bestellung von Atomkraftwerken wird es unter allen Umständen kommen, und es ist ziemlich bedeutungslos, ob man das erste oder das dritte Werk von Rußland beziehen wird. Für die Sowjets aber ist das nahezu zu einer Prestigesache geworden, und Kekkonen, Koivisto, Karjalainen und Viro-lainen sind klug genug, das einzusehen.

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Gespräche von Leningrad sehr weitherzig deutend, teilten ein finnisches Wirtschaftsblatt und einige Auslandskorrespondenten der Welt mit, daß die Russen eine Ausweitung des finnisch-russischen Freundschaftsund Beistandspaktes vom 6. April 1948 verlangt hatten. In einer Pressekonferenz wandte sich Kekkonen mit großer Schärfe und in offensichtlicher Erregung gegen diese Deutung. Er sprach dabei von Presseorganen, „die direkt allergisch in ihrer Uberempflndlichkeit sind, wenn es sich um persönliche Kontakte zum Osten handelt“. In Leningrad sei kein Beschluß gefaßt worden, der eine derart „teuflische Gerüchtemacherei“ rechtfertigen könne, sagte Kekkonen. Der Präsident stellte jedoch mit allem Nachdruck noch etwas anderes fest: Sowohl der Vorschlag auf Schaffung einer atomwaffenfreien Zone im Norden wie auch der Vorschlag, Sicherheit an der finnisch-norwegischen Grenze zu schaffen („Kek-konen-Plan“ von 1963), und der zeitlich letzte Vorschlag auf Einberufung einer europäischen Sicherheitskonferenz, seien ausschließlich finnische Initiativen gewesen. Mit Handlangerdiensten für die Sowjetunion habe das alles nicht das Geringste zu tun. So sei der letztgenannte Vorschlag daheim bei Kekkonen bei einem Mittagessen ausgearbeitet worden. Und der Vorschlag auf Schaffung einer atomwaffenfreien Zone ist auf eine Anregung U Thants zurückzuführen, die anläßlich eines Besuches in Jugoslawien gemacht worden war.

Wie Kekkonen, so wiesen auch andere finnische Politiker in der letzten Zeit darauf hin, daß die sowjetische Politik im Ostseeraum ganz und gar auf sicherheitspolitischen Erwägungen beruhe, und das heißt, daß sie vorwiegend defensiv sei. So sehen die meisten finnischen Parteien die Situation. Es ist bekannt, daß der Westen es oft anders sieht. Das dürfte die Hauptursache für die Verständnislosigkeit oder gar das Mißtrauen gegenüber der finnischen Politik sein, dem man im Westen so oft begegnet.

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