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Finnlands Balanceak

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Als Finnlands Staatspräsident, Dr. Urho Kekkonen, seinen ersten Staatsbesuch in den USA durchführte — es war dies im Oktober 1961 —, erreichte ihn gegen Ende der Reise in Hawaii die Nachricht von der Überreichung jener berüchtigten Sowjetnote, in der unmittelbare militärische Konsultationen auf Grund des finnisch-russischen Beistandspaktes vom Jahre 1948 verlangt wurden. Die politische Spannung, die sich in den vorausgegangenen Monaten Schritt für Schritt verschärft hatte, erreichte damals einen neuen Höhepunkt.

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Als Finnlands Staatspräsident, Dr. Urho Kekkonen, seinen ersten Staatsbesuch in den USA durchführte — es war dies im Oktober 1961 —, erreichte ihn gegen Ende der Reise in Hawaii die Nachricht von der Überreichung jener berüchtigten Sowjetnote, in der unmittelbare militärische Konsultationen auf Grund des finnisch-russischen Beistandspaktes vom Jahre 1948 verlangt wurden. Die politische Spannung, die sich in den vorausgegangenen Monaten Schritt für Schritt verschärft hatte, erreichte damals einen neuen Höhepunkt.

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Der zweite Staatsbesuch Kekkonens in den USA erfolgt unter völlig anderen Kennzeichen. Der Weg nach Washington führte diesmal über Moskau, dem Amerikabesuch gingen viertägige eingehende Gespräche und Beratungen im Kreml voraus, und ein „Novosibirsk amerikanischer Spielart“ ist nicht zu befürchten, ist es doch diesmal — ganz im Gegensatz zu 1961 — Finnland, das einige Karten ausspielt.

Doch nicht nur die Amerikareise, auch der Besuch in der russischen Metropole war gründlich vorbereitet worden: Am 15. Juli konnte — unter dem stärksten Druck des Präsidenten! — Karjalainen endlich die Arbelt an seinem neuen Kabinett vollenden; kurz vor der Abreise kam es noch zur Einberufung des Außenpolitischen Ausschusses, dessen Mitglieder aus allen Ecken und Enden Europas zusammengetrommelt werden mußten, und es kam noch einmal zu einer eingehenden Beratung über die in Moskau zu besprechenden Fragen.

Es mag überraschen, daß die Verlängerung und Abänderung des finnisch-sowjetischen Beistandspaktes von 1948 bei den Moskauer Gesprächen einen breiten Raum einnehmen konnte. Doch darin manifestiert sich ein finnisches Interesse: Das vorgegebene Ziel dieses Paktes ist ja, einen deutschen Angriff auf die Sowjetunion über Finnland zu verhindern. Nach dem Aufbau des neuen Bundesheeres, der Verstärkung der deutschen Position innerhalb der NATO und wenig durchdachten deutschen Forderungen nach Atomwaffen war noch 1955 (bei der ersten Verlängerung des Paktes!) die „deutsche Gefahr“ das ständige Gesprächsthema bei allen finnisch-sowjetischen Begegnungen. Das deutsch-russische Spannungsverhältnis berührt das Verhältnis Finnlands zum Westen im höchsten Maße. Nach Aufnahme der deutschsowjetischen Entspannungsverhandlungen und der beginnenden Auflockerung eines sowjetischen Traumas, erwachsen auch der finnischen Außenpolitik neue Möglichkeiten! Die Frage der von Finnland vorgeschlagenen europäischen Sicherheitskonferenz hängt mit diesem Thema eng zusammen, und auch dieser Gesprächspunkt war von vornherein gegeben Jugoslawien und Belgien haben zum Ausdruck gebracht, daß sie Vorgesprächen zu dieser Konferenz auf Botschafterebene in Helsinki zustimmen würden. Da sowohl die DDR wie auch die BRD in der finnischen Hauptstadt gleichwertig vertreten sind, durch eine Art von „Beinahe-Botschaften“, stünde der deutschen Beteiligung kein formales Hindernis im Wege. Ein zunehmender Optimismus auf finnischer Seite betreffs dieser Konferenz ist hier unverkennbar.

der finnisch-sowjetischen Besprechungen war die Erweiterung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit und der weitere Ausbau der Handelsbeziehungen. Die bereits angelaufene Atomkraftzusammenarbeit zeigt einen der Schwerpunkte auf. Es gibt Anzeichen dafür, daß die Sowjets über das Werk Lovisa hinaus Bauangebote gemacht haben, und es ist durchaus nicht ausgeschlossen, daß die Russen auch das zweite finnische Kernkraftwerk bauen werden. Wenn man außerdem den Finnen vorschlagen wird, mit Hilfe finnischer Techniker und finnischer Arbeiter weitere konventionelle Kraftwerke auf russischem Boden zu erbauen, dann wird es jede wie immer zusammengesetzte finnische Regierung schwer haben, hier Nein zu sagen. Die finnischen Europamarktpläne werden dagegen nach dem Staatsbesuch Kekkonens in Moskau keineswegs optimistischer beurteilt als vorher. Hier besteht vorläufig noch ein starkes russisches Mißtrauen. Kekkonen versucht bei seinem Amerikabesuch zweifellos nicht nur die finnisch-amerikanischen, sondern auch die russisch-amerikanischen Fäden fester zu knüpfen. Ob ihm das gelungen ist, wird man in nicht allzulanger Zeit an mehr als nur einem Konfrontationspunkt der beiden Weltmächte feststellen können, denn Finnland ist, nehmt alles nur in allem, doch nur eine Karte im Kraftspiel der,Supermächte.

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