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Der Griff nach der Ostsee

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Auf knappem Raum zusammengedrängt entwickelt der hervorragende Publizist, der als Mitherausgeber von „Christ und Welt” weithin bekannt ist, eine Fülle belangreicher Gedanken zu einem Problem, dessen Bedeutung nur zu oft verkannt wird. Man blickt nach dem Nahen und dem Fernen Osten, wo die Gegensätze zwischen den USA und der UdSSR hart aufeinanderstoßen, vergißt aber, daß für die Sowjetunion zwei andere Fragen von lebenswichtigem Interesse sind: die Ausfahrt durch die Dardanellen und die durch den Sund. Seit Peter dem Großen streben die Russen darnach, einen Zugang zum Weltmeer ffPU.iffilangen, jeinen eisfreien und möglichst direkten. Effcr: ‘Unmittelbarkeit wegen war unA iit für sie die Straße zwischen Dänemark und Schweden noch wichtiger als der Bosporus. Denn die erste geleitet in die Nordsee und damit in den Atlantischen Ozean, den Briten und Amerikaner zwischen Norwegen und Schottland schwerer sperren können als die Enge von Gibraltar, durch die der Weg aus dem Mittelmeer führte, hätten die Russen einmal offene Bahn an Istanbul vorbei.

Um zum Atlantik vorzustoßen, richtet die Sowjetunion heute, nicht anders als die Zaren, das Augenmerk auf Skandinavien und auf die südlichen Anrainer des Baltikums, das zum geschlossenen Meer des Sowjetblocks und ihm freundlicher, zunächst neutraler Staaten werden soll. Unter diesem Gesichtspunkt verstehen wir erst ganz die Wichtigkeit, die der kommunistischen DDR und der Volksrepublik Polen auch aus militärischen Erwägungen russischer- seits zukommt. Wir begreifen das Werben um Schweden, um Norwegen und um Dänemark, die ständige PreSsion auf Finnland. Es wird uns auch vieles über die Rolle Rapackis und der Warschauer Diplomatie als Vermittler zwischen der UdSSR und den nordischen Königreichen klar; besonders die Reise des Namensgebers des bekannten Planes nach Oslo und die sonstigen norwegisch-polnischen Kontakte erscheinen im richtigen Licht, wenn wir die eben aufgehellten Zusammenhänge betrachten.

Höpkers geopolitische und strategisch-taktische Erörterungen über die derzeitigen Gegebenheiten im Ostseeraum und über die dortigen künftigen Aspekte sind ebenso klug wie tief. Sie sind das, unbeschadet einiger umstreitbarer oder irriger Einzelurteile. Man sollte zum Beispiel nicht den Slawen die Seetüchtigkeit absprechen. Das gilt für die Russen und für die Polen genau so wie für die meeresfrohen Südslawen kroatischen und slowenischen Stammes. Bei seinen Darlegungen über die Fünfte Kolonne im Norden bekundet der Verfasser einen durch die jüngsten Ereignisse kaum gerechtfertigten Optimismus in bezug auf die Bereitschaft Moskaus, den Finnen die zeitweilig belassene relative Freiheit auf längere Sicht zuzugestehen. Vielmehr ist in Helsinki ein ähnliches Anziehen der Schraube zu erwarten wie im Polen Gomulkas. Doch das sind Dinge, über die es müßig wäre, mit Höpker zu rechten. Sein Werk ist als Ganzes ein so scharfsichtiges und wohlgelungenes Mahnwort, die systematischen Bemühungen der Sowjetunion um die Verwandlung der Ostsee in ein „Rotes Meer” sorgsam zu beachten, daß man ihm für diese Darstellung höchst anerkennende Aufmerksamkeit schuldet.

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