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Schizophrenie in der Kunst
Daß der Schizophrenie unter den Erscheinungen unserer an Verfallszeichen gewiß nicht armen Gegenwart eine besondere symptomatische Bedeutung zukommt, hat zuletzt wieder Picard aufzuzeigen versucht. Wird sich zeitgenössisches Kunstschaffen, als empfindlichstes Manometer des herrschenden Zeitgeistes, von diesem Phäpomen freihalten' können, oder lassen sich vielleicht gerade in Malerei und Plastik dessen „sichtbare“ Sputen besonders deutlich aufspüren? Mit der Definition jedenfalls, die der bedeutende Philosoph Karl Jaspers in seiner „Allgemeinen. Psychopathologie“ (Heidelberg 1946, 4. Auflage) von schizophrener Kunst gibt, ließe sich die überwiegende Mehrzahl surrealistischer Produktionen interpretieren; es bedarf hiezu keiner übertriebenen Phantasie, denn bei der Lektüre folgender, nach Jaspers zitierten Stelle werden dem Besucher „avantgardistischer“ Ausstellungen sofort Darstellungen und Eindrücke in die Erinnerung zurückgerufen, denen er dort auf Schritt lind Tritt begegnen konnte:
„Schizophrene Kunst", so heißt es bei Jaspers, „als wirklicher Ausdruck schizophrenen Seelenlebens und ab Darstellung der in der Schizophrenie erwachsenen geistigen Welt kann nur entstehen, wo Geschicklichkeit und eine gewisse technische Bildung gegeben sind und wo die schizophrenen Merkmale nicht das ganze Gebilde gleichsam ersticken. Eine Beschreibung der schizophrenen Kunst findet charakteristische Inhalte: Darstellung fabelhafter Wesen, unheimlicher Vögel, fratzenhafter Mißgestalten aus Mensch und Tier, ferner starkes und rücksichtsloses Betonen sexueller Dinge — Genitalien kehren in verschiedenster Weise immer wieder —, schließlich und vor allem ein Drang, das .Ganze, ein Weltbild, das Wesen der Dinge rar Darstellung zu bringen. Gelegentlich werden Abbildungen von Maschinen hergestellt, die die Ursache der hilluzinatorischen, physikalischen, körperlichen . Beeinflussungen sein sollen. Wichtiger ist vielleicht die Form: vom Bilde als einem Ganzen ausgehend, werden wir festzustellen suchen, ob es als Ganzes auch. für den Kranken Bedeutung hatte, oder ob es nur ein Aggregat ist, wo die Einheiten, die ihm vor Augen standen, liegen. Im einzelnen finden wir folgende charakteristische Merkmale: Pedanterie, Genauigkeit, Sorgfalt, Bedürfnis nach starken übertreibenden Effekten, stereotype Festlegung auf bestimmte Kurvenformen, Abrundungen oder auf eckige Linienführung, die allen Bildern derselben eine merkwürdige Ähnlichkeit geben. Suchen wir die Rückwirkung zu verstehen, die die Zeichnungen auf ihren Schöpfer hatten, so finden wir in der Unterhaltung mit dem Kranken, daß vieL fach das Einfache erfüllt ist von symbolischer Bedeutung und phantastischer Bereicherung. Es läßt sich nicht leugnen, daß bei einigermaßen begabten Kranken der Gruppe der Prozesse zeichnerische Gebilde auftreten, die durch Primitivität, klare Ausdrucksweise, grausige Aufdringlichkeit unheimlicher Be. deutungen auch dem Gesunden Eindruck machen.“
Es ist ein altes medizinisches Grundgesetz, 'daß der Diagnose die Therapie folgt. Wäre es nicht an der Zeit, den „Fiebertraum“, als den unsere Ära und ein großer Teil ihrer künstlerischen Produktion selbst von deren bedingungslosesten Anhängern eingestandenermaßen bezeichnet wird, nicht nur nicht weiter ansteigen zu lassen, sondern durch entsprechende Febrifuga wieder auf „normalere" menschliche Temperatur abzureagieren?
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