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Wa(h)re Kunst?

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Das Kunstwerk ist grundsätzlich immer reproduzierbar gewesen”, schrieb Walter Benjamin schon in den 20er Jahren in dem legendären Aufsatz „Das Kunstwerk im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit”. Daß die Vervielfältigung und Vermarktung von Kunstobjekten in den letzten Jahren jedoch in bisher unvergleichbarem Maße zugenommen hat, wird einem täglich vor Augen geführt, wenn man Klimt auf der Meinl-Kaffee-Dose, Hundertwasser auf der Mineralwasserflasche und Margritte auf einem Regenschirm wiederbegegnet.

Michelangelos David kennt man schon von der Versicherungswerbung, auch wenn man das Original in den Uffizien nie gesehen hat. Oft ist die Enttäuschung, wenn man endlich vor dem Original hinter Panzerglas steht, groß — man hat sich schon an den Reproduktionen sattgesehen.

Verbunden mit der Kommerzialisierung von Kulturgütern sind die neuen Marktplätze der Museumstempel, die „Art Stores” oder Museumsshops, die bei keiner Großausstellung mehr fehlen. Im New Yorker Metropolitanmuseum sind die Verkaufsstände sogar auf das ganze Museum verteilt. Der Besucher muß sich mit seinem Aneignungsbedürfnis also nicht bis zum Ende gedulden, sondern kann nach jeder Abteilung unerreichbarer Kunstikonen einen Poster derselben erwerben.

Das Offene Kulturhaus in Linz zeigt unter dem Titel „Wa(h)re Kunst” in einer Ausstellung diesmal keine Originale, sondern die immer populärer werdenden Massenartikel, für die Kunstsujets als Vorlage dienten. Leonardos „Mona Lisa” hat also auf einem Plastiksitzkissen genauso wie Münchs „Schrei” als aufblasbare Puppe den Weg aus dem Kaufhaus zurück ins Museum gefunden.

Besonders gelungen ist der inszenierte Museumsshop vor dem Hauptausstellungsraum: Unter einem Deckenfresko' mit einer Kopie der unverkennbaren Darstellung „Die Erschaffung Adams” aus Michelangelos Sixtina, gemalt von einem Linzer Straßenmaler, erlebt der Besucher einen Streifzug durch die Kunstgeschichte von Leonardo bis Malewitsch auf Stickvorlagen, Langhaarteppichen und Duschvorhängen. Die freie, assoziative, Zusammenstellung nimmt spielerisch vorweg, was im Hauptraum in acht Containern nochmals in geordneter Form präsentiert wird, wobei hier die einzelnen Räume keine wirklich neuen Aspekte bringen.

Amüsanter ist dann wieder das begehbare Containerdach aus der Sammlung Bazon Brock mit 18 Ta-bleaus verschiedener Museumsshopartikel wie Dalis „Fließen der Zeit” als Kerze oder das Puzzle „Schwarzes Quadrat” ä la Malewitsch.

Die Schau wirft spannende Fragen auf, wird aber der Mehrdeutigkeit im Titel mit dem Adjektiv wa(h)re (mit und ohne h) nicht gerecht.

Es bleibt bei der einseitigen Darstellung von reproduzierten Originalen als Massenartikel. Man vermißt die Gegenüberstellung von Kunstwerken, die aus der Warenwrelt selbst kommen wie Duchamps „Flaschentrockner” oder Claes Oldenburgs „Mouse-Museum”. Interessant erscheint die Forderung Bazon Brocks im Katalog zur Ausstellung, daß der

Museumshop einen Bildungsauftrag (historisch und ästhetisch) zu erfüllen habe.

Könnte man statt Schokoladeschnitten mit Leharmelodien und Kafkas Urteil als T-Shirt nicht Verkaufsgegenstände anbieten, „die wirklich das in musealen Originalobjekten repräsentierte künstlerische und kulturelle Denken ansprechen”?

(Bis 24.1. 1997)

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