Erich Fromm: der Befreiungstheoretiker
Er versuchte, Psychoanalyse und Marxismus zu verbinden und landete letztlich wieder in der religiös inspirierten Welt seiner Herkunft. Zum 40. Todestag des Sozialpsychologen und Kulturkritikers.
Er versuchte, Psychoanalyse und Marxismus zu verbinden und landete letztlich wieder in der religiös inspirierten Welt seiner Herkunft. Zum 40. Todestag des Sozialpsychologen und Kulturkritikers.
Wer von Erich Fromm nur die „Kunst des Liebens“ und „Haben oder Sein“ kennt, weiß nur wenig von den Quellen, aus denen sich sein Denken speist. Beide Bücher sind für ein großes Publikum geschrieben. In beiden geht es um Kulturkritik: darum, dass die Art und Weise, wie wir unser gesellschaftliches Zusammenleben auf Wettbewerb und Profitmaximierung gründen, den Einzelnen und damit die Gesellschaft als Ganzes krank macht; aber auch darum, Alternativen aufzuzeigen, wie man sich in einer verrückt gewordenen Welt eine auf Liebe und schöpferische Kreativität gegründete Menschlichkeit bewahren kann (siehe auch #HumanSpirits zu Erich Fromm).
Prophetischer Ton
In beiden Büchern fällt der prophetische Ton auf, in dem sie geschrieben sind. Das Prophetische war für Fromm grundsätzlich positiv konnotiert: Propheten sind, wie er schreibt, „Menschen, die Ideen verkündigen und die diese Ideen gleichzeitig leben“. Gerade die jüdischen Propheten hätten gewusst, „dass der Mensch eine Antwort auf seine Existenz finden müsse und dass die Antwort in der Entwicklung seiner Vernunft und seiner Liebe bestehe“. Aufgrund seiner Herkunft aus orthodox-jüdischem Milieu wusste Fromm, wovon er sprach. Als junger Mann war er fasziniert von der traditionell-jüdischen Lebenspraxis, die sich standhaft jeder Assimilation verweigerte. Er hatte intensive Talmud-Studien betrieben, verkehrte in zionistischen Zirkeln, 1920 zählte er in Frankfurt zu den Begründern und ersten Dozenten des „Freien Jüdischen Lehrhauses“, einer Art jüdischer Volkshochschule. Bei Alfred Weber, dem Bruder des 1920 verstorbenen Max Weber, promovierte er 1922 in Heidelberg mit einer Dissertation über „Das jüdische Gesetz. Ein Beitrag zur Soziologie des Diasporajudentums“.
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