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Aktion gegen die Resignation

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„Das letzte Aufgebot” nannte Kurt Dieman seinen Kommentar zur neugegründeten „Aktion Österreich”

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„Das letzte Aufgebot” nannte Kurt Dieman seinen Kommentar zur neugegründeten „Aktion Österreich”

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(Nr. 7). Der heutige Autor, Mitglied ihres Vorstandes, ist anderer Meinung. Wir begrüßen seinen Beitrag als Einladung zum Nachdenken und zur Diskussion.

In Österreich wurde von den Bürgern seit Jahren ein Verhaltenskonservativismus an den Tag gelegt, der einen ob des mangelnden Weitblickes schaudern läßt. Die Immobilität, um nicht zu sagen, geistige Trägheit, ist erdrückend. „Es ist uns noch nie so gut gegangen“ und „Es soll so bleiben, wie es ist“ sind Phrasen, die die oberflächliche, materialistisch geprägte, eigentlich resigna- tive Einstellung verdeutlichen. Durch diese Brille wird vielfach die radikale Veränderung, die vom Recht auf das Bewußtsein zielt, übersehen.

Die Vermarktung der gesellschaftsverändernden Maßnahmen erfolgt sogar unter Zuhilfenahme der österreichischen Geschichte. Dies ist möglich, weil der österreichische Bürger seit 1918 vielfach zu feig war, sich zu seiner Geschichte zu bekennen, aus ihr zu leben, auf sein Selbstbewußtsein zu beziehen.

In einer solchen Situation ist es begreiflich, daß einzelne Bürger beginnen, sich um den Bestand überkommener Werte Sorgen zu machen. Vor diesem Hintergrund sind Publikationen wie Karl Heinz Ritschels „Plädoyer für das Konservative“ (Paul Zsolnay-Ver- lag, 1981) oder Zusammenschlüsse wie die vor einigen Wochen gegründeten „Aktion für Österreich, Konservativfreiheitliche Vereinigung zur politischen Erneuerung“ zu sehen.

Manche befürchten, andere geben vor, zu befurchten, daß sich diese Vereinigung zum Spaltpilz im nichtsozialistischen Sektor der österreichischen Parteienlandschaft entwickeln könnte.

Die Aktion hat aber nicht den Ehrgeiz, der ihr taxfrei verliehenen Bezeichnung „Aktion für Kreisky“ (Kurt Dieman, FURCHE 7/1981) gerecht zu werden. Niemand denkt daran, dazu beizutragen, der SPÖ den Spaß zu machen, in der Parteienlandschaft schwedische Verhältnisse herbeizuführen.

Diese Vereinigung will mithelfen, wieder jene Werte ins Bewußtsein zu rücken, deren Verdrängung bewirkt hat, daß viele unserer Mitbürger zu ihrem eigenen Schaden von Mal zu Mal den Wahlen in die gesetzgebenden Organe fernbleiben. Der bisher ungeschriebene Zweckparagraph der „Aktion für Österreich“ müßte lauten:

„Politische Abstinenz ist die gefährlichste Krankheit in einer Demokratie. Wer nicht mitbestimmt, darf sich nicht beklagen, wenn andere über ihn bestimmen. Es ist Aufgabe der Vereinigung, dazu beizutragen, daß die Nichtwähler erkennen, warum sie ihre demokratischen Rechte ausüben müssen.“

Die „Aktion für Österreich“ ist nicht vereinfachend als „antisozialistisch“ zu etikettieren. Das wäre einerseits zuviel und andererseits zuwenig. Zuviel: sie will das Bewußtsein für die existenziellen Dinge des Menschen schärfen.

Auch bei sozialistischen Parteigängern und bisherigen Wählern.

Zuwenig: sie hat nicht die Absicht, sich in der Negation zu erschöpfen. Sie hat eine positive Zielsetzung. Sie ist für ein Österreich, in dem umwandelbare Werte die jeweilige Gestaltung der sozialen Gegebenheiten und Beziehungen prägen.

So lächerlich das klingen mag: in diesem Lande muß wieder ein Klima geschaffen werden, in dem Anständigkeit, Benehmen, Ehrgefühl, Verantwortung, Leistung, Ehrlichkeit, Achtung vor dem anderen und Selbstdisziplin der Maßstab sind und nicht als Dummheit oder als Schande angesehen werden.

Die Jugend ist weitgehend nicht bereit, sich politisch zu engagieren. Eine Parteienverdrossenheit wird immer wieder diagnostiziert. Das Image der Politiker ist denkbar schlecht.

Eingedenk unserer Geschichte und angesichts der beklagenswerten Situation, in der sich viele europäische Völker heute befinden, müßte aber alles unternommen werden, um einer solchen Einstellung entgegenzuwirken.

Dazu ist es notwendig, einen Minimalkonsens hinsichtlich der unserer Rechtsordnung vorangehenden Grundwerte zu erzielen. Das Bewahren dieser unwandelbaren Werte für das Zusammenleben der menschlichen Gemeinschaft und für den Schutz des Einzelmenschen ist ein Anliegen der „Aktion für Österreich“.

Es ist dem Grunde nach unerheblich, ob diese Werte von einem totalitären Regime oder von einer hauchdünnen Parlamentsmehrheit mit Füßen getreten werden. Wir müssen wieder unsere Geschichte kennenlernen, dann werden wir viel leichter die Bedeutung unseres alten Wertesystems erkennen. Wir werden aus der Geschichte die Kraft gewinnen, die jeweilige gesellschaftliche Wirklichkeit reformatorisch zu gestalten.

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