6969654-1985_25_15.jpg
Digital In Arbeit

Antreten zum Scheinkampf

19451960198020002020

Eine möglichst hohe Medienpräsenz ist Ziel aller Parteien. Ein erworbener Bonus kann aber durchaus auch in einen unerwünschten Nachrichtenmalus umschlagen.

19451960198020002020

Eine möglichst hohe Medienpräsenz ist Ziel aller Parteien. Ein erworbener Bonus kann aber durchaus auch in einen unerwünschten Nachrichtenmalus umschlagen.

Werbung
Werbung
Werbung

Wie oft Politiker/Parteien in den Medien „vorkommen”, ist -zumindest für die Parteien - von eminenter medienpolitischer Bedeutung. Im täglichen Kampf um Sendeminuten und um möglichst hohe Präsenz in Tages- und Wochenzeitungen gibt es fast ausschließlich Unzufriedene.

Schlagworte wie „Manipulation durch den Regierungsfunk” und

„Kampagne der OVP-nahen bürgerlichen Zeitungen” beweisen, daß sich Parteien von den Medien immer wieder ungerecht behandelt fühlen. Wenn von den Parteizentralen inszenierte „Ereignisse” nicht von TV-Kameras eingefangen und in der „Zeit im Bild” einem Millionenpublikum präsentiert werden, regnet es nicht selten Vorwürfe und Interventionen.

Während die Regierung schon allein aufgrund ihrer Amtstätigkeit Beachtungschancen in den Medien vorfindet, fällt es der Opposition wesentlich schwerer, die Aufmerksamkeitsbarrieren der Medien zu durchbrechen. Ihre Pläne, Programme, Vorschläge und Forderungen sind — vor allem in der Mitte der Legislaturperiode — für den potentiellen Medienkonsumenten kaumrelevant. Daß die Ankündigung einer Steuererhöhung durch die Regierung einen größeren „Newswert” hat, leuchtet ein.

Im Bemühen, den „Nachrichtenbonus” der Regierung wettzumachen, muß die Opposition oft Medienereignisse künstlich schaffen, die sich von der Informationsroutine des politischen Alltags (Pressekonferenzen etc.) deutlich abheben und daher auch leichter in den Medien „durchkommen”.

Ein typisches Beispiel dafür ist die alljährliche Mock-Rede „Zur Lage der Nation”. Das Medien-großereignis „Regierungsklausur” zeigt deutlich, daß sich auch die Regierungsparteien dieser Strategie bedienen.

In der Fernsehdemokratie stehen die Parteien generell unter dem Druck, kontinuierlich „News” zu produzieren. Im Mittelpunkt aller medienstrategischen Anstrengungen steht dabei das Ziel, die Medienpräsenz der eigenen Partei auf möglichst hohem Niveau zu halten, „Argumentationspausen” und mediale „Durchhänger” zu verhindern.

Es scheint primär darum zu gehen, im Trommelfeuer tagespolitischer Meldungen nicht unterzugehen, nicht den Eindruck zu erwecken, daß man zu einem Thema nichts zu sagen hat.

Durch die hektische und meist kaum durchdachte Produktion tagespolitischer Aussagen, die in den entscheidenden Parteigremien oft nicht abgesegnet worden sind und daher nachträglich relativiert werden, entsteht aber auch der Eindruck der Konzeptlosig-keit und mangelnder Koordination.

Analysiert man die behandelte Materie unter diesem Aspekt, drängt sich ein ganzes Bündel von Fragen auf:

In welchem Ausmaß sind die Parteien in der Lage, ihre Medienpräsenz sozusagen aus eigener Kraft entscheidend zu beeinflussen?

Wie staf k ist die Medienpräsenz von den Selektionsmechanismen und von der jeweiligen Regierungskonstellation abhängig?

Kann der „Nachrichtenbonus” nicht auch zum „Nachrichtenmalus” werden?

In der einschlägigen Literatur wird das Phänomen „Nachrichtenbonus” der Regierung häufig damit begründet, daß die Regierung „ein institutionelles und in-strumentelles Ubergewicht” 'hat, daß sie „sozial relevant handeln” kann, während die Aussagen der Opposition ohne faktische Auswirkungen bleiben.

Nirgends wird jedoch erwähnt, daß der „Nachrichtenbonus” der Regierung in hohem Maße auch von der jeweiligen Regierungskonstellation abhängt.

Die Zahl der Regierungsparteien ist für die Größe des Beachtungsvorsprunges ausschlaggebend. Konkret: Der ,*,Nachrich-tenbonus” einer Koalitionsregierung ist wesentlich größer als der „Nachrichtenbonus” einer Alleinregierung.

Quantitative Inhaltsanalysen zwischen Jänner und Aprü 1983 bzw. Jänner und Dezember 1984 zeigen, daß die Koalitionsregierung die. Medienberichterstattung (Basis: „Zeit im Bild” und die zehn auflagenstärksten Tageszeitungen Österreichs) deutlich stärker dominiert als die SPO-Alleinregierung. Auch in den ersten Monaten des heurigen Jahres hat sich daran praktisch nichts verändert.

Die stärkere Dominanz der Regierung resultiert dabei gegenwärtig aus einer—gemessen an ihrer Stimmenstärke — extremen Uberrepräsentanz der FPÖ. Seit die FPÖ von der Oppositionsbank ins Regierungslager wechselte, kommt die Regierung häufiger zu Wort als-vorher.

Mit dem Phänomen „Nachrichtenbonus” hat das wenig zu tun. Analysiert man die Präsenzanteile der Parteien in den Medien, kommt man zu dem Schluß, daß die Medien nicht eine ausgewogene Berichterstattung zwischen Regierung und Opposition, sondern eher ein annäherndes Präsenzgleichgewicht zwischen den drei im Parlament vertretenen Parteien anstreben.

Vor diesem Hintergrund ist es vielleicht verständlicher, daß die Opposition auf Nicht-Beachtung in den Medien besonders sensibel reagiert. Obwohl die Opposition in der Medienpräsenz ein „strukturelles Defizit” hat, kann sie ihre Medienpräsenz durch konsequente Thematisierung erheblich beeinflussen.

Kaum Beachtung findet der Umstand, daß eine hohe Medienpräsenz nicht immer positiv sein muß. Eine hohe Medienpräsenz der Parteien wird oft durch „negative Publizität” zum Nachteil. Beispielsweise ist der Nachrichtenbonus der Regierung während der Hainburg-Krise zum Nach-.richtenmalus geworden.

Während der Affäre Frischenschlager/Reder konnte die Regierung über ihre starke Mediendominanz auch nicht glücklich sein.

Der klassische journalistische Selektionsgrundsatz „bad news are good news” sorgt dafür, daß Medien mit Vorliebe über Konflikte, Krisen, Zerreißproben, Machtkämpfe, innerparteiliche Auseinandersetzung usw. berichten.

Politische Entscheidungen, die nicht kontroversiell diskutiert werden, die von der Materie her sehr komplex und daher auch langweilig sind, werden häufig bewußt aus der Medienberichterstattung ausgeblendet, auch wenn sie in ihrer Tragweite für die Medienkonsumenten viel wichtiger sind als so manche bis ins letzte Detail wiedergegebene Scheingefechte zwischen Regierung und Opposition im tagespolitischen Streit. Dadurch wird das politische Geschehen stark verzerrt.

Uberspitzt formuliert: Es ist für Politiker verhältnismäßig einfach, in den Medien mit Aussagen „durchzukommen”, wenn man den Anforderungen der Informationsdramaturgie, die auf Konflikte, Krisen und Machtkämpfe programmiert ist, gerecht wird. '

Allerdings stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage nach dem Effekt der höheren Medienpräsenz. Darauf eine Antwort zu geben, ist nicht einfach.

In vielen Fällen ist der Erfolg, mit einer Aussage in den Medien „durchgekommen” zu sein, ein sehr fragwürdiger: Hohe Medienpräsenz ist nicht automatisch mit Nachrichtenbonus gleichzusetzen.

Der Autor ist Mitarbeiter des Friedrich-Funder-Institutes.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung