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Den Hauch der weiten Welt beschworen

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Kulturhauptstadt Europas zu sein, ist für große Städte eine Herausforderung, Kultur der Vergangenheit zu beleben, aber auch lebendige Kunst der Gegenwart zu zeigen. Die meisten Gäste streben allerdings zu den üblichen Sehenswürdigkeiten, wollen die berühmten alten Kirchen sehen, das Rubens-Haus, die mehr oder weniger verträumten Winkel der Altstadt, das weite Wasser-Panorama der Scheide-Mündung.

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Kulturhauptstadt Europas zu sein, ist für große Städte eine Herausforderung, Kultur der Vergangenheit zu beleben, aber auch lebendige Kunst der Gegenwart zu zeigen. Die meisten Gäste streben allerdings zu den üblichen Sehenswürdigkeiten, wollen die berühmten alten Kirchen sehen, das Rubens-Haus, die mehr oder weniger verträumten Winkel der Altstadt, das weite Wasser-Panorama der Scheide-Mündung.

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Der 400. Geburtstag des Malers Jacob Jordaens war mit einer umfassenden Ausstellung seiner Gemälde, Zeichnungen und Tapisserien gefeiert worden. Bis zum letzten Tag drängten sich die Menschen vor den deftigen Genre-Szenen, den vor Gesundheit und Üppigkeit strotzenden Frauengestalten. Im einstigen Wohn- und Atelierhaus von Peter Paul Rubens ergänzte eine Sonderausstellung die ohnehin schon reiche Ausstattung der Wände: „Rubens-Cantoor” - Studienblätter, die seine Schüler und Mitarbeiter, vor allem Willem Panneeis, kopiert hatten. Eine Auswahl der 500 Blätter war jetzt in Antwerpen den Rubens-Originalen gegenübergestellt worden.

Das Konzept der kulturhistorischen Ausstellungen dieses Jahres ist einfach: Man bemühte sich, leihweise zurückzuholen, was einst aus dieser Stadt exportiert wurde. Das waren im 15. und 16. Jahrhundert Retabeln: Altäre, die mehrteilige Kombinationen aus geschnitzten Reliefs und Tafelbildern waren. Etwa 40 davon sind in der restaurierten Liebfrauen-Kathedrale aufgestellt. Sie vermittelten neben ihrem künstlerischen Rang zwei Eindrücke: Einmal den, daß der Kirchenraum schon einmal anders ausgesehen hatte, bevor ein Brand und konfessionelle Wirren ihn „reinigten”. Außerdem beeindruckt der Fleiß dieser namenlosen Kunsthandwerker, deren geradezu industrielle Produktion.

Ob man ins katholische Spanien oder ins protestantische Schweden lieferte, hatte wenig Bedeutung. Die Handelswege der Hanse sorgten für Absatz in alle Ostsee-Länder. Die Zünfte hielten auf Qualität und hatten Spezialisten für die verschiedenen Bestandteile der Altäre. Diese hatten ihren bestimmten Kanon von Formen und Darstellungen biblischer Handlungen, die sich zum großen Teil auf Szenen aus religiösen Spielen in oder vor der Kirche stützten. •

Die Ausstellung „Antwerpen, Geschichte einer Metropole” im „Hessenhuis”, einem alten Stützpunkt der internationalen Kaufleute, zeigt eine ganz andere Facette der Stadt: nämlich beispielsweise kostbare Meßinstrumente, mit denen die Schiffahrt beliefert wurde oder Kostbarkeiten aus dem „Goldenen Zeitalter” im 16. und 17. Jahrhundert, wie in einer Kunst- und Wunderkammer jener Zeit zusammengetragen.

Das „Goldene Zeitalter” wurde zum Mythos, der im 19. Jahrhundert den Impuls zu neuem Aufstieg gab (und der heute kritisch hinterfragt wird). Die Entwicklung der Industrie, der Ausbau des Hafens und der Erwerb des Kongo durch König Leopold II. schufen ein neues Selbstbewußtsein.

Die, .Eisenbahn-Kathedrale” des prunkenden Zentralbahnhofs und der erste Wolkenkratzer des Kontinents sind neben den schier unübersehbaren Hafenanlagen Belege dafür.

Dreimal beherbergte Antwerpen (und nicht die Hauptstadt Brüssel) eine Weltausstellung: 1885,1894 und 1930. Die Welt war zu Gast, aber vor allem warb Flandern für seinen Hafen, seine Industrie und die Produkte seiner Kolonien. Die Ausstellung „Der panoramische Traum” gibt einen Eindruck davon, wie man die Wunder der Technik und den Hauch der weiten Welt beschwor, wie die Künste sich präsentierten.

Aufwendig restauriert

Auch die Organisatoren von „ARTWERPEN 93”suchen bei allem Aufwand von Musikern, Schauspielern, Tänzern, Gauklern aus aller Welt, bei allen Demonstrationen zeitgenössischer Kunst das Bleibende: den alten Mythos vom „Goldenen Zeitalter” in neuer Sicht, die gesicherten Bauwerke wie die Kathedrale, das Bourla-Theater und den Bahnhof aus dem 19. Jahrhundert, die aufwendig restauriert wurden.

Und natürlich stellt die Stadt auch ihre begehrtesten Kostbarkeiten zur Schau: Seit Jahrhunderten beliefert die Stadt die Reichen der Welt mit den sichtbaren Kennzeichen ihres Wohlstandes.

, Antwerpener Retabeln aus dem 15. und 16. Jahrhundert” (Bis 3. 10.)

„Antwerpen, Geschichte einer Metropole” (Bis 10. 10.)

„Der panoramische Traum - Weltausstellungen” (Bis 31. August)

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