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Biedermaier und Jugendstil

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Die Wiener Kunst- und Antiquitätenmesse hat sich seit ihrem Bestehen darum bemüht, eine besondere Stellung innerhalb der europäischen Kunstmessen zu erwerben.

Heute, nach acht Jahren, kann mit Recht der durch Qualität und Leistung erworbene Spitzenrang innerhalb des internationalen Messewesens hervorgehoben werden. Die überregionale Bedeutung einer Messe läßt sich am Interesse ausländischer Besucher feststellen. Die Wiener Veranstaltung zählt zu den bestbesuchten.

Sowohl Sammler wie Händler haben die Wiener Kunst- und Antiquitätenmesse als fixen Termin in ihrem Reiseplan eingetragen.

Die österreichische Händlerschaft weiß um diese Verantwortung. Dazu kommt die Tatsache, daß der heimische Handel heuer zum ersten Male drei repräsentative Messen veranstaltet Dem Frühjahrstermin der Wiener Messe gesellt sich ein gleichrangiger im Herbst hinzu. Daneben hat sich die Salzburger Messe zu einer bedeutenden Veranstaltung entwickelt. Diese vermehrte Aktivität fordert stärkeres Engagement seitens der Händler, die sich voll bewußt sind, daß nur besondere Leistung den erhofften Erfolg bringt.

Die Auswahl des heurigen Angebotes ist ganz ausgezeichnet, wird doch die gesamte Bandbreite des Kunst- und Antiquitätenhandels in erstklassigen Objekten aufgezeigt.

Neben gotischen Tafelbildern, Skulpturen, Glasfenstern, neben Penaissanceobjekten, alten Waffen, Silber und Glas, Gemälden, Tapisserien und Möbeln des Barock, neben Josephinischen Möbeln und zahlreichen Kleinodien des Kunstgewerbes wird heuer verstärkt dem 19. und 20. Jahrhundert Bedeutung geschenkt.

Der Ausarbeitungsprozeß der jüngeren Perioden ist voll im Gang, nicht nur auf kunsthistorischer Ebene, sondern auch im Kunsthandel. Hat schon im Vorjahr der Jugendstil einen bis dahin ungewohnt breiten Raum eingenommen, so ist es heuer das Biedermeier, das verstärkt präsentiert wird. Gerade die Kunst des Vormärz, das Sammeln von Objekten dieser Zeit hat in Österreich besondere Tradition. Freilich ist heute die Motivation Biedermeier zu sammeln weniger in traditioneller Gewöhnung begründet, vielmehr entspringt sie für viele, vor allem jüngeren Generationen, aus der Entdeckerfreude. Für zahlreiche Kunstfreunde ist das Biedermeier eine Entdeckung, ein Phänomen, das neue Gesichtspunkte und Bewertungen mit sich bringt.

Der Veranstalter der Wiener Kunst- und Antiquitätenmesse ist nun mit den Verantwortlichen der Wiener Festwochen eine Interes-sensgemeinschaft eingegangen, haben doch die Wiener Festwochen ihr heuriges Programm ganz auf „Franz Schubert und den Wiener Vormärz“ abgestimmt. Gleichsam als malerischen Hintergrund dazu hat das Wiener Gremium für den Kunst- und Antiquitätenhandel einen Schaufensterwettbewerb initiiert, dem sich eine Vielzahl von Wiener Kunsthandlungen angeschlossen hat. Leitthema dieses Wettbewerbes ist das Biedermeier; das schönste Schaufenster wird prämiert Ziel ist der gelungene Versuch, eine historisch so interessante Epoche mittels ihrer kunstgewerblichen Objekte, Möbel und Gemälde umfassend Und ästhetisch befriedigend zu dokumentieren.

Diese verstärkte Hinwendung zum Biedermeier findet nun fast selbstverständlich im MesseanSe-

bot der teilnehmenden Händler ihren Niederschlag.

Dem Jugendstil widmen sich auch heuer wiederum eine ganze Anzahl qualifizierter, meist jüngerer Händler. Gerade der Jugendstil hat sich als Sammelgebiet institutionalisiert, hat seinen modischen Charakter abgelegt und wird ernsthaft gesammelt.

Im gesamten gesehen ist die heurige Wiener Kunst- und Antiquitätenmesse die vielleicht umfassendste und reifste Veranstaltung des österreichischen Handels. Viele junge und erstmalig

ausstellende Händler zeigen, daß das Potential des österreichischen Kunsthandels sehr groß und vielschichtig ist; zeigen, daß Lücken, die das Alter, der Wunsch nach Ruhe und leider auch der Tod zu reißen schienen, unversehens und mit erstaunlichem Niveau geschlossen werden können.

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