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Die große Koalition"

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In ihren Medien haben Österreichs Journalisten, wie sich's gehört, sehr verschiedene Ansichten. In ihrer Standesorganisation haben sie, zur Verblüffung Außenstehender, sehr einheitliche Ansichten.

In der kleinen (3000 Mitglieder), aber öffentlich überdimensional beachteten Gewerkschaftssektion Journalisten regiert seit 22 Jahren der Unterzeichnete mit einer großen Koalition aus „Nen-ning-Sozialisten, FCG-Gewerk-schaftern und Unabhängigen", wie dies Hubert Feichtlbauer korrekt beschrieb (FURCHE Nr. 10).

Um diese Koalition zu erhalten, war diesmal sogar nötig — auch das recherchierte Kollege Feichtlbauer korrekt —, daß die vorerwähnten Gruppen sich auf einen gemeinsamen Kandidaten einigten. So erhielt ich diesmal die größte Mehrheit, die ich je kriegte (71,4%), und der Ansturm des „Arbeitskreises junger Journalisten" wurde glorreich abgewehrt.

Jawohl, es stimmt, „daß Nen-ning selber viele von jenen, denen er heute zuwenig radikal ist, in die Journalistengewerkschaft gebracht hatte", wie Feichtlbauer zart andeutet. Gäbe es solche Oppositionen nicht, müßte man sie erfinden. So erfand ich sie halt.

Die oppositionelle Liste, mit meinem Redaktionskollegen und Freund Erhard Stackl („profil") als Spitzenkandidaten, umfaßte — auch das berichtete Feichtlbauer genauer als es anderswo stand — „neben Unabhängigen auch Linke und Extremlinke". Aber alle drei Kategorien sind ehrenwert in einer pluralistischen Demokratie.

on Journalisten können und sollen Anreiz sein für eine lebendige Opposition, die ihnen - mit Marx sei's gesagt - ihre eigene Melodie vorspielt, um sie zum Tanzen zu bringen.

Von den „Ideologen" zum Tanzen gebracht, haben sich die praktizierenden Kolleginnen und Kollegen in Zeitungsredaktionen und ORF zusammengefunden, ohne allzu viel Rücksicht auf parteipolitische Färbungen. Diese spielen in der Gewerkschaftssektion Journalisten höchstens in Wahlzeiten eine gewisse Rolle, und diesmal also nicht einmal in Wahlzeiten.

„Wenn die Wahlen vorbei sind", wußte Feichtlbauer schon am Wahltag, „beginnt der Gewerkschaftsalltag wieder". In ihm vollbrachte sogleich die große Journalistenkoalition — mit einem „Roten" als Obmann, einem „Schwarzen" (meinem ÖGB-Kol-legen und Freund Michael Kress) als Sekretär — solche herzerfrischenden Gustostückerln wie vergangene Woche die gemeinsame Flugreise ins ferne Klagenfurt, um 80 Arbeitsplätze zu retten—bei der OVP-„Volkszeitung" und der katholischen Druckerei „Carin-thia".

In vielstündigen, teils heftig bewegten Gesprächen mit dem „roten" Landeshauptmann, seinem „schwarzen" Stellvertreter und auch der „blauen" Landtagsfraktion versuchten wir — gemeinsam mit Betriebsräten und Kärntner Gewerkschaftsfunktionären, wieder in bunter Reihe „schwarze" und „rote" - Geld aufzutreiben, weil nämlich auf den Arbeitsplätzen Menschen sitzen und keine Parteibücheln.

Es scheint sogar, daß uns diese Blitzaktion der großen Journalistenkoalition gelungen ist. Es war nur ein Auftakt für notwendige weitere Rettungsaktionen; ich denke an sonstige wirtschaftlich schwächere Meinungsblätter und an die Austria-Presseagentur.

Vielleicht ist dies alles sogar ein Teil der „moralischen Aufrüstung", die Kollege Feichtlbauer mit vollem Recht von den Journalisten fordert. In unserem nächsten Ethik-Seminar werden wir ihn kräftig ein- und vorspannn.

Das Rettungswerk in Kärnten in Ehren, Arbeitsplatzsicherung ist immer gut, Zeitungsvielfalt schon gar. Und den Wink mit sonstigen wirtschaftlich schwächeren Meinungsblättern" hat die FURCHE nicht mißverstanden.

Trotzdem war der Bettelgang einer ÖVP-Zeitung zum Bundeskanzler konzept-, instinkt- und würdelos, und. bei aller Bejahung unvermeidlicher staatlicher Presseförderung wird das Nehmen oder Zusperren ab einem bestimmten Punkt auch zur Charakterfrage,

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