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DIE POLEN STOSSEN NACH MITTELEUROPA VOR

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FURCHE: Wird Osterreich den Antrag Polens um Aufnahme in die Pentaqonale unterstützen?

PAUL ULLMANN: Ich kann Ihnen die Frage mit Ja beantworten. Wir haben schon in der Vergangenheit den Wunsch Polens, daran teilzunehmen, unterstützt. Jetzt ist die Entwicklung so weit gediehen, daß die fünf Teilnehmer die ursprünglich von Österreich zuerst vertretene Meinung übernommen haben, daß Polen an einer solchen Zusammenarbeit Zentraleuropas und des Adria-Raumes teilnehmen soll. Daher wird Polen noch heuer voller Teilnehmer der Pentagonale-Zusammenarbeit.

FURCHE: Was hat Österreich, was hat die Pentagonale davon?

ULLMANN: Die Pentagonale ist eine Initiative von Staaten, die sich verbunden fühlen durch die Geographie, die Geschichte, durch viele soziale Strukturen, die ein Nachbarschaftsverhältnis anstreben. Das ist kein bilaterales Nachbarschaftsverhältnis, sondern ein multilaterales. Es handelt sich um eine Nachbarschaftspolitik, die nicht neben die bilaterale tritt, sie nicht ersetzen soll. Es soll eine multilaterale entwickelt werden.

Es zeigt sich, daß manche Fragenbereiche der Entwicklung kultureller Art, wirtschaftlicher, auch Umwelt spielt hier eine Rolle, am besten in einem Regionalkontext zu lösen sind. Weil sie über das Bilaterale hinausgehen und auf der anderen Seite nur einen bestimmten Kreis von Ländern betreffen, keinen weit- oder europa-

weiten Rahmen haben. Und das ist das eigentliche Wirkungsgebiet der Pentagonale und auf das wird sie sich auch konzentrieren.

FURCHE: Ist daran gedacht, daß die Pentagonale gewissermaßen ein Widerpart zum Brüsseler Zentralismus wird?

ULLMANN: Den Begriff Widerpart würde ich in keiner Weise verwenden wollen. Und ich sehe es auch nicht so. Ich kann es nur als eine Form der Ergänzung sehen. Auf bestimmten Gebieten sind auch.die Aufgaben, die sich die Pentagonale setzt, ganz andere als die des gemeinsamen Marktes. Die Pentagonale liegt auf einer ganz anderen Ebene, sie ist eine Art Ergänzung oder ein Nebeneinander zu Brüssel, aber die Aufgaben, die sich die EG stellt, sind im wesentlichen andere als die Bereiche, derer sich die Pentagonale annimmt.

FURCHE: Es sieht doch so aus, als ob durch Brüssels Marktmechanismen regionale Anliegen zu kurz kämen. Daher wäre doch eine Organisationsform, die auf Regionen Bezug nimmt, zu favorisieren?

ULLMANN: Wenn es so empfunden wird, daß diese Ergänzung einen positiven Charakter hat, und vielleicht das, was Brüssel nicht tun kann oder will, subsidiär-ergänzend wahrnimmt, wäre das eine gute Lösung.

FURCHE: Wie sieht es aus mit den Beziehungen der Pentagonale zu anderen regionalen europäischen Zusammenschlüssen? Ich denke da an Arge Alp oder Alpen-Adria.

ULLMANN: Es gibt ja verschiedene Gruppierungen in Europa. Die Pentagonale, die ja auch eine junge Einrichtung in Europa ist, hat sich bereits bemüht und bemüht sich auch weiter, mit all diesen Gruppierungen zusammenzuarbeiten, Kontakte aufzubauen. Das eine sind regionale Gruppierungen anderer Staaten, zum Beispiel die Balkan-Kooperation, mit

der einmal auf Beobachter-Ebene Kontakte aufgebaut werden. Das andere sind regionale Einrichtungen von im wesentlichen substaatlichen Einheiten-Bundesländern, Provinzen, Komitaten in Ungarn. Sie haben Alpen Adria erwähnt und es gibt noch die Donauländer, und die obere und untere Adria. Hier haben wir uns bemüht, diese regionalen Kooperationen in die Arbeitsgruppen der Pentagonale einzuschließen. Und wir gehen jetzt einen Schritt weiter, indem auf einem hohen Niveau, dem der internationalen Koordinatoren, ein regelmäßiger Kontakt mit den Leitungsgremien dieser Arbeitsgemeinschaften gepflegt werden soll. Das wird einen Informationsabtausch, einen Erfahrungsaustausch und ein gegenseitiges Abstimmen der Projekte sehr fördern.

FURCHE: Wieweit ist eigentlich eine Akzeptanz der österreichischen Bevölkerung gegenüber der Pentagonale vorhanden?

ULLMANN: Es ist mir keine wissenschaftliche Untersuchung dazu bekannt. Abermirpersönlich fälltauf, daß gerade in Österreich ein sehr großes Interesse an der Pentagonale besteht. Ich weiß, daß im Bereich der Wissenschaften, an den Universitätsinstituten großes Interesse vorhanden ist, die Einrichtungen der Pentagonale zu benützen und Kontakte zu Partnern aufzubauen und gemeinsame Forschungs- und Arbeitsprojekte durchzuführen. Wir haben ähnliche Entwicklungen in jüngster Zeit auch im Bereich der Statistik, wo die statistischen Ämter in den Pentagonale-

Staaten auch sehr intensiv den Wunsch geäußert haben, gemeinsame Projekte zu entwicklen und durchzuführen. Und ich glaube auch, daß die einzelnen Bürger in der Pentagonale in zunehmendem Ausmaß etwas Positives sehen.

FURCHE: Hingegen nehmen Berührungsängste zu Ausländern in Osterreich nicht gerade ab. Politiker wollen Din%e, die das Volk nicht will.

ULLMANN: Ich glaube, daß natürlich die Projekte, die in den einzelnen Arbeitsgemeinschaften behandelt werden,von verschiedenen Institutionen mitgetragen werden sollen und mitgetragen werden müssen. Ich denke an gewisse kulturelle Projekte, an die erwähnten wissenschaftlichen Projekte. Selbstverständlich, wenn hier nicht der Wunsch besteht, sich zu öffnen, Kontakte zum Nachbarn zu haben, wird man nicht erfolgreich sein. Ich kann aber nur sagen, daß doch der Rahmen und die Möglichkeiten, die über das Bilaterale hinaus in der Region von der Pentagonale angeboten werden, bisher angenommen worden sind. Wir haben im Augenblick mehr als 80 Projekte verschiedener Größenordnung durchgeführt. Und sie sind teilweise auch schon erfolgreich abgeschlossen worden. Ich bin mir schon bewußt, daß Ihre Einwände nicht ohne reale Substanz sind, dennoch glaube ich, daß genügend Rückhalt da ist, um positiv die Arbeit weiterzuführen.

Mit dem österreichischen Koordinator der Pentagonale, Botschafter Dr. Paul Ullmann, sprach Helmuth A. Niederle.

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