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Es war viel Bundeszorn

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Nach Oberösterreich wissen jetzt endlich auch Österreichs Sozialdemokraten jenseits aller Zweifel woran sie sind: ohne Vranz weit und breit kein Siegeskranz! Zusammen mit dem steirischen Ergebnis läßt das oberösterreichische keine andere Schlußfolgerung als die zu: Beiden Großparteien wird von den Wählern der Marsch geblasen, daß es nur so schallt.

Man kann nicht sagen, die Wähler unterschieden nicht mehr zwischen Bundes-, Landes- und Gemeindeebene. Die ÖVP hat dank Krainer und Ratzenböck noch immer besser abgeschnitten als die Bundespartei bei der letzten Parlamentswahl. Aber Landesfürsten alten Stils sind nicht mehr stark und nicht mehr überzeugend genug, mehr als das Allerschlimmste von ihren Landesparteien abzuwehren. (In Wien steht dafür der Beweis noch aus).

Ein Kandidat neuen Stils, der in der Steiermark gegenüber der letzten Landtagswahl nur schwach, und jener der alten Garde, der in Oberösterreich stark verlor, offenbarten deutlich, daß auch sozialdemokratische Wähler ähnlich reagieren: den „Bundeszom" in sich tragend, versuchen sie, einen schwachen Landesvorteil auszumachen, falls es den noch gibt.

Am stärksten verhalten sich FPÖ-Wähler einheitlich auf allen Ebenen: Ihr Star ist nahezu ausschließlich Jörg Haider. Absurd wäre die Annahme, die FPÖ hätte tatsächlich über tausend Wunder-wuzzis in oberösterreichischen Gemeinden aufgebracht. So viele wurden diesmal mehr in Gemeindestuben gewählt. Aber was der blaue Jörgl den „Altpolitikern" hineinsagt, ist Hunderttausenden aus der Seele gesprochen. Es wird Zeit, das alles emster zu nehmen. Man macht es sich neuerlich zu leicht, wenn man so tut, als brächte nur Ausländerhetze den Freiheitlichen Zulauf. Das ist es auch, aber nicht nur.

SPÖ und ÖVP haben auf Bundesebene die große Koalition mit der Begründung verlängert, es gebe noch eine Reihe offener Großprobleme, die eine breite Basis zur Neuregelung brauchen. Das stimmt. Den Beweis aber, daß nur sie diese Probleme lösen können, sind sie uns bisher in nahezu allen Fragen schuldig geblieben. Ob an diesem Ärgernis mehr die SPÖ in der Bremserrolle oder mehr die ÖVP wegen ungenügenden Nachdrucks schuld ist, bleibt da eine eher zweitrangige Frage. Beide bieten ein Schauspiel peinlicher Unent-schlossenheit, des Mangels an Gestaltungswillen und des kleinlichen Hickhacks. Mit Recht sind viele Wähler darüber ungehalten.

Wenn diese nun zu Hunderttausenden dem frechen Oppositionsgu-ru nachlaufen, besteht gewiß Anlaß zur Sorge. Aber diese Wähler sind weder Neonazis noch lauter Ausländerhasser. Wer Jörg Haider politisch ausgrenzen will, muß es künftig mit einer besseren Politik und nicht mit moraltriefenden Worten versuchen.

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