6840516-1975_41_05.jpg
Digital In Arbeit

Europäische Volkspartei?

Werbung
Werbung
Werbung

Seit ein paar Wochen ist in einen Biedermeierbau in Tegernsee, dessen Seitenflügel auch heute noch von den Nachkommen des letzten bayrischen Königs bewohnt wird, die Hanns-Seidel-Stiftung eingezogen, die Schulungsorganisation der bayrischen CSU, die seit acht Jahren für die politische Bildung breitester Interessentenkreise rechts der SPD sorgt. Zur feierlichen Eröffnung begrüßte der Präsident der Stiftung, Sozialminister Fritz Pirkl, Vertreter fast aller christdemokratischen und mancher konservativen Parteien und Gruppierungen aus ganz Westeuropa — denn hier soll in Zukunft nicht nur die politische Bildung potentieller CSU-Wähler gepflegt werden; hier werden auch jene Konzepte erarbeitet werden, die zu einer engeren Zusammenarbeit des nichtsozialistischen Lagers in Europa nötig sind. Wildbad Kreuth soll das Zentrum werden, aus dem heraus die „Europäische Volkspartei“ wachsen kann. Alois Mock hat sie erst vor wenigen Wochen in Linz und Salzburg als Zielvorstellung proklamiert. Nun griff Franz Josef Strauß die Idee vehement auf. •

Diese aus den Landesparteien der britischen und skandinavischen Konservativen zusammengefügte Sammlungspartei — bewußter Gegenpol zur Sozialistischen Internationale — sollte nur ein Meilenstein auf dem Weg zum geeinten Europa sein, auf dem es noch viele, zunächst kleine Schritte zu gehen gelte, meinte Strauß: der gemeinsame Paß für die Bürger der Staaten der Europäischen Gemeinschaften, dann des ganzen Europarates, die Umwandlung der Botschaften innerhalb der Mitgliedsländer in Hochkommissariate, um den Unterschied zu den diplomatischen Vertretungen außerhalb der Gemeinschaft zu dokumentieren, die Wahlen in die gesetzgebende Versammlung der Europäischen Gemeinschaften schließlich, die für 1978 vorgesehen seien — Europas erste Urwahlen.

Der Buhmann der deutschen Linken und „Mister 62 Prozent“ umriß die ideologischen Grundsätze, die für die CSU gelten und die damit auch für diese Sammlung der europäischen Mitte entscheidend seien:

Grundsätze, die von den wildgewordenen Linken als „konservativ“' verteufelt werden und in ihrer ewigen Gültigkeit doch die alleinige Basis für ein künftiges Europa freier Bürger darstellen.

Daß es nicht leicht sein wird, die „Europäische Volkspartei“ auf einer gemeinsamen Basis zu errichten und das Gemeinsame über das Trennende zu stellen, darüber waren sich alle Anwesenden einig. Zu diesem Europa gehören ebenso Vertreter der demokratischen Mitte in dem nach links gerutschten Portugal wie in dem noch diktatorisch regierten Spanien, die anwesend waren, wie die schwedischen Konservativen, die fehlten und gegen deren Einbeziehung die italienischen Christdemokraten bisher stets protestiert hatten. Deren einem „compromesso sto-rico“ mit den Kommunisten zuneigender linker Flügel wieder sieht sich der Skepsis der Bayern gegenüber, die als Verteidiger der gesam-deutschen Idee jede Festschreibung der Ostgrenzen und damit jede zu enge Zusammenarbeit mit dem kommunistischen Lager mit Mißtrauen betrachten. Südtirols Silvio Magnago wehrte sich in der Pressekonferenz dagegen, das unverzichtbare, wenn auch gegenwärtig nicht in Anspruch genommene Recht auf Selbstbestimmung auf den Fall einer kommunistischen Machtergreifung einschränken zu wollen, wie es sein Landsmann Brugger kürzlich aktualisiert hatte. Und die Anwesenheit so mancher Gäste, die die politischen Ereignisse der letzten Jahrzehnte aus ihrer Heimat im Osten vertrieben hatte, dokumentierte, daß das geistige Europa über die ideologie- und machtbedingten Grenzen hinausreichen muß.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung