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Kompromisse statt Endlösung

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FURCHE: In Österreich wird seit geraumer Zeit die These verkündet, wenn man sich für die politische Lösung engagiert, ist das der beste Ansatz, den Terror zu verhindern. Tatsache ist, daß Osterreich zu einer bevorzugten Zielscheibe des Terrors geworden ist. Hat nicht die Realität die These ganz eindeutig widerlegt?

LUDWIG STEINER: Aus einer Reihe von Gründen müssen Regierungen alles unternehmen, um friedliche Lösungen von politischen Konflikten herbeizuführen. Aber zu glauben, daß mit politischen Lösungen terroristische Bewegungen, wie wir ihnen heute gegenüberstehen, ihre Tätigkeit einstellen würden, ist ein Aberglaube. Solche Terrorgruppen wollen keine politischen Lösungen, die etwa auf der Grundlage von Kompromißbereitschaft und Verhandlungen zustande kommen. Was sie wollen, ist die „Endlösung“, sie wollen die totale Kapitulation und Unterwerfung einer Konfliktseite.

Es muß docH schon längst klar sein, daß wir immer wieder vor dem gleichen Phänomen stehen: Sobald sich in einem Konflikt eine Lösung abzeichnet, reduzieren sich nicht etwa die Terroraktivitäten, sondern im Gegenteil, sie werden verstärkt. Es bleibt also nichts anderes übrig, als den Terror als solchen mit aller Kraft zu bekämpfen.

FURCHE: Darf sich Österreich im Hinblick auf das damit verbundene Sicherheitsrisiko für die Bürger des Landes weiterhin so wie bisher exponieren?

STEINER: Es ist wenig sinnvoll, wenn sich ein neutraler Staat immer wieder mit Parteinahme und Ratschlägen in Konflikte einmischt, die keinen Beitrag zur Problemlösung darstellen. Ein neutraler Staat soll sich zur Lei-

stung guter Dienste und Vermittlung bereithalten, damit er Nützliches leisten kann, wenn alle Streitteile dies wünschen — oder dies zumindest tolerieren. Was darüber hinaus geht, ist eher schädlich als nützlich.

Das vollkommen einseitige Engagement Kreiskys im Nahen Osten hat Österreich nicht vor Terroranschlägen bewahrt.

FURCHE: Was für unsere Begriffe blutige Terroristen sind, sind zum Beispiel für Libyens Oberst Gadhafi Freiheitskämpfer undHelden.Ist es überhaupt möglich, bei dieser Sprachverwirrung zu einem Ergebnis in der Sache zu kommen?

STEINER: Meiner Meinung nach ist die Abgrenzung zwischen Freiheitskampf und Terrorismus nicht schwierig. Es handelt sich um eine bewußte Sprachverwirrung, die mit Absicht von Gadhafi und Co. in Umlauf gesetzt wird. Es ist weder Freiheitskampf noch Heldentum, wenn man an Konflikten unbeteiligte Menschen hinmordet. Ich halte es für unannehmbar, wenn man solchen Mördern irgendwelche Entschuldigungsgründe zugesteht. Tut man dies, so provoziert man lediglich neue Untaten. Nochmals zum Freiheitskampf: Wäre es etwa Freiheitskampf oder Heldentum gewesen, wenn während des letzten Krieges eine Widerstands-

gruppe etwa am Züricher Bahnhof Bomben geworfen hätte, nach dem Motto: „da wird sich Hitler ärgern“?

FURCHE: Offensichtlich messen wir sowohl Gadhafi als auch die PLO nach europäischen völkerrechtlichen Maßstäben. Kann man darauf eine sinnvolle Nahostpolitik machen?

STEINER: Bei der Betrachtung

eines Phänomens wie Terror können wir nicht eigene Völkerrechtsnormen aufstellen — etwa für die PLO oder Leute wie Gadhafi.

FURCHE: Welche Konsequenzen zieht jetzt die österreichische Volkspartei aus den blutigen Terrorerfahrungenfür die Außenpolitik des Landes?

STEINER: Terror kann nur durch internationale Zusammenarbeit wirksam bekämpft werden. Dies ist nicht nur ein technisches und nachrichtendienstliches Problem, sondern ein politisches.

Unsere Gesellschaft muß wieder den Mut finden - und das gilt nicht nur für Österreich — die Hintermänner des Terrors und Regierungen, die Terroristen unterstützen, auch wirklich beim Namen zu nennen und daraus Konsequenzen zu ziehen, auch wenn es Opfer kostet.

FURCHE: Inder ÖVP plädiert man oft für mehr Zurückhaltung im Nahen Osten. Auf der anderen Seite ist Österreich im Nahen Osten stark engagiert, gerade deshalb setzen die arabischen Länder große Hoffnungen auf Osterreich. Wie stellen Sie sich konkret eine Neuorientierung der österreichischen Politik im Nahen Osten vor?

STEINER: Die Nahostpolitik der ÖVP orientiert sich vorerst an den Verpflichtungen aus der Neutralität, den nationalen Interessen Österreichs, und ausschließlich an diesen.

Wenn heute arabische Länder übergroße Hoffnungen auf Österreich setzen, so ist ihnen in der Vergangenheit mehr vorgegaukelt worden, als wir wirklich tun können.

Botschafter Dr. Ludwig Steiner ist Abgeordneter zum NR und außenpolitischer Sprecher der ÖVP. Mit Botschafter Steiner sprach Alexander Orssich.

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