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Kultur als Auslagendekoration

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„Demokratisierung“ ist in Österreich ein Paradehit geworden. Eine Modewelle, auf der nicht nur Bundeskanzler Doktor Kreisky seit der ORF-Reform, sondern neuerdings auch die Kulturpolitiker aller Couleurs mehr oder minder geschickt reiten: die Exponenten der ÖVP-„Aktion 20“, der „österreichischen Kulturgespräche“, wie die „roten Räte“ des sozialistischen Kulturpropagandisten Otto Staininger, also der „Gesellschaft für Kulturpolitik“.

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„Demokratisierung“ ist in Österreich ein Paradehit geworden. Eine Modewelle, auf der nicht nur Bundeskanzler Doktor Kreisky seit der ORF-Reform, sondern neuerdings auch die Kulturpolitiker aller Couleurs mehr oder minder geschickt reiten: die Exponenten der ÖVP-„Aktion 20“, der „österreichischen Kulturgespräche“, wie die „roten Räte“ des sozialistischen Kulturpropagandisten Otto Staininger, also der „Gesellschaft für Kulturpolitik“.

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Sie alle scheint vor allem eines zu bewegen: die eben jetzt über kulturelles Engagement und Kulturaktivitäten leicht in ein politisches Lager ziehbare Jugend zu gewinnen und vor den oft schon aggressiv mehr Subventionsgelder fordernden österreichischen Künstlern nicht als reaktionäre Beamte dazustehen.

Aber was ist passiert? Offenbar durch den Einfluß der Massenmedien und das Nachdrängen der jungen Generation in allen Kulturbereichen ausgelöst, hat es sich irgendwann herumgesprochen, daß in diesem Kleinstaat Österreich mit seinem zu gering bemessenen Kulturbudget gerade die Kultur einer der lebenserhaltenden Faktoren ist; Kultur, das heißt, nicht nur die Li-pizzaner und die Staatsoper, sondern sehr wohl auch die zahllosen unzufriedenen Dichter, und ihre Werke, die Maler, und die Musiker, die letztlich immer wieder ihr Fortkommen in der Deutschen Bundesrepublik suchen müssen, wenn sie nicht hier in der Enklave eines zu engen Kapitalmarktes auf die nach karitativen Prinzipien vergebenen Subventionen angewiesen sein wollen.

Es war längst keine Frage: zuwenig Mittel für Theater, Film, Verlage, Kunsthandel, für Architektur, Bibliotheken, Ankäufe aller Art... Aber die Künstler sind obendrein zu viele und ihre künstlerische Leistung, das heißt: das Angebot an Qualität im Durchschnitt für ihre Zahl, ist viel zu gering. Ausleseprinzipien erkennt nur der Markt an, nicht aber der Staat. Wie oft werden daher hier Hochbegabte ärgerlicherweise dem Mittelmaß gleichgesetzt, wenn man sie nicht gar bequemeren Dilettanten vorzieht. Und über alle wird dann nach dem gleichen Gießkannenprinzip der bescheidene materielle Segen ausgegossen, Obwohl der eine höchste Förderung seiner Arbeit verdiente, der andere bestenfalls eine Rente des Sozialministeriums.

Der Beweis für diese Behauptung: Man braucht sich bloß einmal die blamabel provinziellen Ankaufausstellungen des Unterrichtsministeriums oder des Kulturamts der Stadt Wien anzusehen oder die alljährlich vorgelegten Kunstberichte studieren. Wie wenig wird von diesen Ankäufen überleben ...? Oder:

Die österreichische Filmkunst hat zwar kein Geld, aber die Gemeinde Wien wirft munter Subventionen, 1971 allein 500.000 Schilling, für kommunalpolitische Werbefilme aus und rechnet dem staunenden Laien vor, was sie alles zur Belebung der Filmkunst tut! Oder: die berühmtberüchtigten „Ein-Prozent“ zur künstlerischen Ausgestaltung von Gemeindebauten! Welche Summen werden da allein für Parteikünstler ausgeworfen, über deren Bedeutung für die Kunst man erst gar nicht zu streiten braucht!

Kein Wunder, daß diese Situation immer schärfere Kritik herausgefordert hat. So scharfe, daß nun sogar die staatlichen Kulturhüter und -Verwalter, Unterrichtsminister Dr. Sinowatz eingeschlossen, es auf sich nehmen, offiziell dem Abbau ihrer Kompetenzen in der bürokratischen Subventionsmacht zuzustimmen und neue Formen eines Verwaltungsgremiums zu überdenken. Erfreulich, daß jetzt alles anders werden soll... So hat etwa das Innsbrucker Kulturgespräch Anfang Februar dazu gedient, in den vergangenen Monaten rechts und links ausgearbeitete Forderungskataloge für eine künstlerische Selbstverwaltung zu vergleichen. Unter allerhöchstem Ministersegen wurde eine Annäherung der linken und rechten Vorschläge erzielt. Ergebnis: Prinzipielles Einverständnis von ÖVP-und SPÖ-Seite, die Errichtung eines Österreichischen Kunstrates zur Selbstverwaltung zu fördern und obendrein die Mitwirkung dieses Selbstverwaltungsapparates im kulturpolitischen Bereich zu sichern. (Wobei es freilich fast überflüssig ist, zu sagen, daß die Mehrzahl der hier engagierten Künstler ohnedies links orientiert, wenn nicht gar parteilich eingebunden ist!) Und „grundsätzliche Einigkeit“ jubelte die Rechte im Innsbrucker Schlußkommunique.

Doch man darf sich selbst über diese provisorische Einigkeit für die nächsten Verhandlungsmonate nicht einfach hinwegtäuschen. Denn trotz „demokratischem“ Jubelchor sprechen schon jetzt Verantwortliche von den viel größeren Problemen dieser im Grunde sozialistischen Kulturreform. „Transparente“ Kulturverwaltung mit ihrem „Mitwirkungsrecht in allen Fragen der Kulturpolitik“, ihrer „Mitverantwortung in Fragen der Kunstförderung und den zu vergebenden Mitteln'“ in Ehren. Aber gibt es zum Beispiel für die ÖVP Kompromisse, wo es letztlich um die totale Umstrukturierung der bürgerlichen Gesellschaft geht? Kann man sie in der Kärntnerstraße überhaupt akzeptieren? Oder sollte man vorerst den Zusammenhang von Kultur und Gesellschaft leichtfertig mißdeuten, Kultur zur netten Auslagendekoration ohne soziale und politische Folgen abwerten?

Aber man wird ja bald die Zusammenhänge, wie auch den politischen Hintergrund dieses Konzepts genauer sehen: spätestens wenn im Herbst das zähe Ringen um das Erhalten von Einflußsphären, um Kompetenzenaufteilungen und schließlich ums Geld beginnt. Vom Wettlauf um die sicher nicht schlechten Posten gar nicht zu reden, die sich so manche Kulturreformer für ihren tatkräftigen Einsatz wiederholen wollen. Aber sollten die rechten Kulturreformer wirklich noch nichts vom bevorstehenden Ab- und Ausverkauf gehört haben?

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