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Mocks Übermorgen

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An Krisenvisionen herrscht kein Mangel, an Zukunftsperspektiven wohl. Das ist signifikant für Zeiten großer Veränderungen. Dazu kommt heute ein verbreiteter Vertrauensschwund in unsere technisch-wissenschaftliche Zivilisation. Zukunftsgewißheit ist verlorengegangen. Auch Orientierung?

Möglich ist es, aus Orientierungskonflikten in die Utopie zu fliehen. Zugegeben: Utopien beflügeln die schöpferische Phantasie, können auch soziale Dynamik mobilisieren. Aber ebenso ist die Gefahr gegeben, sie als Alibi zu mißbrauchen: um sich — im Falle einer politischen Partei — vor der praktischen Reformarbeit zu drücken.

Man kann der Volkspartei vorwerfen, was man will: In die Utopie ist sie sicher nicht geflüchtet, in ihrer einjährigen Arbeit an ihrem Zukunftsmanifest.

Diese Arbeit findet nach der sogenannten „Woche der Zukunft” mit dem Linzer Zukunftskongreß an diesem 12. April ihren vorläufigen Abschluß. Mocks Blick ins Ubermorgen.

„Die Frage ist nicht, wie Zukunft aussehen wird. Die Frage ist, wie wir wollen, daß Zukunft aussieht”, versteht sich das Zukunftsmanifest als Orientierungshilfe. Das ist auch das Bekenntnis, daß Zukunft nicht schicksalshaft ist, sondern die Freiheit der Wahl besteht.

Es ist ein Blick in die Zukunft, um sich in der Gegenwart besser zu verhalten, nicht aber die faszinierende Vision eines ungewissen, riskanten Weges ins dritte Jahrtausend.

Demokratie kann ohne Zukunftsentwürfe, die aus Interessen, Erfahrungen, Einsichten und auch Sehnsüchten der Menschen entstehen, nicht leben. Das gilt gerade für Zeiten, in denen die Politik scheinbar ausschließlich damit beschäftigt ist, die allerjüngste Vergangenheit in der Gegenwart in den Griff zu bekommen.

Mut zum Zukunftsentwurf ist die eine Seite, Fähigkeit zum Realismus die andere: Schlußfolgerungen sind zu ziehen, realisierbare Alternativen anzusteuern.

Das Zukunftsmanifest der ÖVP beschreibt durchaus einen gangbaren Weg jedenfalls ins nächste Jahrzehnt, teilweise großzügig in der Skizze, griffig im Dutzend der

Kapitel-Titel, aber oftmals zu überfrachtet im Detail. Doch trotz des Uberhanges an Standardrepertoire weist das Programm über den nächsten Wahltag hinaus, stellt Grundforderungen für Notwendiges, Mögliches, Gewolltes.

Überraschungen sind freilich spärlich: Uberraschend ist vielleicht die Idee eines Gemeinschaftsdienstes für alle jungen Österreicher, „gegen relativ geringes Entgelt, aber im Genuß einer Sozialversicherung”, für einige Monate, schon weniger die Überlegung eines Selbstbehaltes im Gesundheitsbetrieb.

Andererseits: Wesentliche Zukunftsaspekte sind nur versteckt, am Rande erwähnt, etwa die Kernfrage der Mobilität.

Dünn auch die Aussagen und Perspektiven im Bildungsbereich. So anerkennenswert und richtig das Bekenntnis zur „Wiederentdeckung des Erzieherischen in der Bildung” auch ist, die Einsicht, daß künftig der Erstausbildung unzählige weitere Bildungsschritte werden folgen müssen; schlägt nicht durch. Und dem „Bildungsangebot für Erwachsene” ist ein einziger lapidarer Satz gewidmet.

Schade auch, daß die Aussagen über die Energiepolitik nicht über das Schlamassel der Gegenwart hinausweisen, wenn es konkret um Wasser- und Kernkraft geht.

Aber ist das überhaupt eine Zukunft, die den Österreichern so vor Augen schwebt?

Frieden, eine lebenswerte Umwelt, Gesundheit und familiäre Harmonie sind die Wünsche an die Zukunft, doch die Österreicher sind — wie eine Fessel-Studie im Auftrag der ÖVP ergeben hat— realistisch genug, ihre Erwartungen nicht zu hoch zu schrauben.

Und vieles von dem, was in der öffentlichen Diskussion und auch im Zukunftsmanifest der ÖVP eine gewichtige Rolle spielt, hat nicht ganz den Stellenwert, der vermutet wird.

Partizipation, mehr politische Mitbestimmung: Wohl sind 43 Prozent der Österreicher der Meinung, daß darauf in der Gesellschaft zu wenig Wert gelegt wird, doch unter die Wertprioritäten reihen nur 16 Prozent dieses Anliegen als relevant ein.

Oder: Daß auf Kinder in unserer Gesellschaft zu wenig Wert gelegt wird, dem wird nur von einem knappen Drittel zugesprochen; über die Hälfte ist der Meinung, die Wertschätzung sei gerade richtig.

Dazu steht das Zukunftsmanifest in einem direkten - aber richtigen — Gegensatz, wenn es für eine kinder- und damit menschenfreundlichere Gesellschaft Partei ergreift.

Womit sich eine weitere Aufgabe für die Politik stellt: Sie muß in den Menschen das Verständnis um die positiven Möglichkeiten zu vertiefen suchen. Das aber ist Politik im positiven Sinn, Gestaltung des Gemeinwesens auch nach ideellen Zielsetzungen. Und daß das nunmehrige Zukunftsmanifest — im Gegensatz zum Entwurf - auch das „C” nicht mehr verschweigt, gibt Orientierung. Nun gehört Mut dazu, daran festzuhalten. Ängstliche finden den Weg ins Ubermorgen nicht.

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