6887948-1979_35_06.jpg
Digital In Arbeit

Schock mit Nachwirkung

Werbung
Werbung
Werbung

Poütisch-phUosophische Auseinandersetzungen haben in Frankreich Tradition. Aber während sich die Diskussionen in den letzten Jahren immer um die Thesen der Linken drehten, hielt es niemand für notwendig, sich auch mit der Neuen Rechten auseinanderzusetzen. Das hat sich in den letzten Monaten und Wochen schlagartig geändert: Die französischen Massenmedien haben die Neue Rechte entdeckt. • Bisher gab es wohl einige ZeUen und Grüppchen, die ihr VorbUd aus der faschistischen Zeit entlehnt hatten. Anfang der sechziger Jahre gab es dann erstmals auch einen Versuch einer extremen Rechten, durch Terror das legitime Regime General de GauUes zu beseitigen. Im Zusammenhang mit dem algerischen Krieg hatten sich Offiziere und Soldaten, meist Angehörige der Fremdenlegion, zur Geheimarmee OAS vereinigt, die jedoch nach dem Friedens-

Schluß wieder von der Bildfläche verschwunden war.

Auch nach dem algerischen Abenteuer versuchten wiederholt einige Kondottiere, so der einäugige Le Pen und der Rechtsanwalt Tixier-Vi-gnancour, eine rechtsgerichtete Partei ins Leben zu rufen. Infolge ständiger interner Konflikte gelang es jedoch niemals, die verlorenen Soldaten der OAS für eine konkrete pohti-sche Arbeit zu gewinnen.

Die Neuen Rechte jedoch, die sich vor und nach den Wahlen zum Europa-Parlament in Frankreich präsentierte, geht von anderen Voraussetzungen aus als die Erben der „Action francaise“ und ihr Prophet Charles Maurras. Es handelt sich dabei um 30-bis 40jährige Technokraten, die in der staatUchen Verwaltung vielfach schon bedeutende Posten einnehmen.

Noch sind diese jungen Herren nicht weithin bekannt. Aber es gehört gewissermaßen zur Sitte Frankreichs, daß politische Bewegungen sich zuerst in engen Kreisen und Zirkeln formieren, ehe sie elementar in die öffentUchkeit treten.

Soweit man das Aufblühen der jetzigen Rechten verfolgen kann, konzentrieren sich ihre Bemühungen in drei Richtungen:

Zum harten Kern der Neuen Rechten wurde die etwa 5000 Mitglieder umfassende „Groupement de re-cherche et d'etudes pour la civüisa-tion francaise“, dessen Abkürzung „Grece“ an die antike heUenische Kultur erinnern soU. Entstanden war die Gruppe im Schatten der Ereignisse von 1968.

Chef ist der bisher ebenfaUs wenig bekannte Alain de Benoist, der die Zeitschrift „Die neue Schule“ herausgibt. Dieses Magazin ist für die breite Öffentlichkeit gedacht und soU interessierte Kreise einladen, in Diskussionen ein revolutionäres Bild vom Menschen und seiner GeseU-schaft zu erarbeiten.

In der Tat haben.sich eine Reihe von nicht unbekannten Universitätsprofessoren bereitgefunden, in dieser Zeitschrift zu publizieren, wobei voraUem verschiedene Aspekte der Biologie behandelt werden. Scharf angegangen werden vor aUem die jüdisch-christliche Kultur, der Marxismus, Anarchismus sowie Liberalismus und diesen geistigen Strömungen die Werte der indoeuropäischen Kultur entgegengestellt.

Während die „Action francaise“ noch eine Allianz mit der Kirche gesucht hatte, wirft die Neue Rechte dem Katholizismus vor, er sei vollkommen nach Unks abgerutscht und daher sei mit der Kirche als einer der tragenden Säule der Nation nicht mehr zu rechnen.

Selbstverständlich wird mit Heftigkeit die Ansicht bestritten, daß alle Menschen gleich seien.

In letzter Zeit hat sich diesem Kreis eine andere Gruppe angeschlossen, die sich „Club der Uhren“ nennt. Es handelt sich dabei um Studenten der berühmten Verwaltungsakademie ENA, die sich in einem Saal treffen, der durch eine große Pendeluhr geziert ist. Um den „Uhrenclub“ gruppiert sich ein harter Kern von 120 Männern, Sympathisanten gibt es an die 700.

Seit einigen Monaten enthält die Tageszeitung „Le Figaro“ jeden Samstag eine Magazin-Beilage, in der die Palette der aufgegriffenen Themen von der Politik bis zu Modefragen reicht. Als Direktor zeichnet der ultrakonservative SchriftsteUer und Journaüst Louis Pauwels.

Langsam aber sicher tauchen nun in diesem Magazin die Repräsentanten der Neuen Rechten als Autoren auf. Damit haben sie dank Louis Pauwel ein Sprachrohr gefunden, das mit mehreren hunderttausend Exemplaren jeden Samstag auf dem Markt erscheint.

Das1 Unke Magazin „Nouvelle Ob-servateur“, das der Bewegung eine eingehende Studie widmete, meinte etwas ironisch, die Rechte beginne zu denken. Auf jeden FaU ist es verfrüht, sich über diese Erscheinung in der politischen Auseinandersetzung der Fünften RepubUk ein definitives Bild zu machen. Aber die Tatsache, daß nicht nur Trotzkisten und Kommunisten Frankreich beherrschen wollen, sondern auch die Rechte, wirkte wie ein Schock, der sicherlich Nachwirkungen zeigen wird.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung