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Seckau schlägt Alarm

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Die Zeit drängt: Stift Seckau, lebendiges Zentrum geistlichen, geistigen und kulturellen Lebens in der Steiermark, schlägt Alarm. Die im Vorjahr ihr 850-Jahr-Jubiläum feiernde Benediktinerabtei braucht Geld für dringende Sanierungsvorhaben.

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Die Zeit drängt: Stift Seckau, lebendiges Zentrum geistlichen, geistigen und kulturellen Lebens in der Steiermark, schlägt Alarm. Die im Vorjahr ihr 850-Jahr-Jubiläum feiernde Benediktinerabtei braucht Geld für dringende Sanierungsvorhaben.

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Pudelnaß kommen die Halbwüchsigen von draußen, trotz des unfreundlichen Regenwetters haben sie an den Leichtathletik-Wettkämpfen gegen zwei steirische Gymnasien teilgenommen (oder als Zuschauer die Kämpfenden angefeuert), fröhliches Stimmengewirr, lauthallende Schritte... Seit über 700 Jahren ist solcher Lärm hier vertraut.

Das im Jahr 1140 von Adalram von Waldeck in den steirischen Bergen nahe Knittelfeld gegründete Augustiner-Chorherrenstift, nach der Aufhebung durch Joseph II. 1883 von Beu-roner Benediktinern wiederbesiedelt, scheint von außen „gut in Schuß" zu sein. Die dringliche Sanierungsbedürftigkeit sieht man ihm nicht an.

Aus den fünfziger Jahren stammen die Heizungs-, Elektro- und Wasserinstallationen derGebäude. Im Abteigymnasium fehlen Unterrichtsräume für Physik, Biologie, EDV, derTum-saal ein Relikt aus der Jahrhundertwende. Die großen Schlafsäle, die Gemeinschaftsduschen entsprechen nicht mehr den Erfordernissen. Der Ausbau des Dachbodens zu Internatsräumen ist geplant. 140 Millionen Schilling soll diese Generalrenovierung kosten. Mithilfe einer Baustein-Aktion will man die fürs erste notwendigen 60 Millionen zusammentrommeln, 20 Millionen stellt der Bund zur Verfügung.

Mit seinem Waldbesitz von 160

Hektar stehe die Abtei wirtschaftlich auf schwachen Beinen, Schule und Internat würden lediglich kostendek-kend geführt, meint Pater Albert Schlick OSB, der junge Ökonom des Stiftes.

Von den heuer 175 Schülern - seit 1986 gibt es auch Mädchen - besuchen die meisten das Halbintemat. Das (humanistische und neusprachliche) Gymnasium bietet eine Besonderheit: In den stiftseigenen Werkstätten, einer Tischlerei, einer Buchbinderei, einer Goldschmiede, können Mädchen und Buben unter Anleitung eines Meisters neben dem Unterricht ein Handwerk lernen. Die Patres meinen, daß das Tun zum Lernen gehört.

Obwohl von 1980 bis 1983 eine Renovierung der imposanten Stiftsfassaden und des prachtvollen Renaissancehofes erfolgte, liegt der Restaurierungsteufel beispielsweise im morschen Dachstuhl-Detail. Vermorschte Deckenbalken bedürfen der Verfestigung durch Kunstharzeinspritzung und Glasfiberstäbe, für den festlichen „Huldigungssaal" verschlang das schon bisher eine Million. Die wertvollen, äußerst raren Stuckdecken aus dem 17.Jahrhundert, die die Prunkräume des Stiftes schmücken, drohen sonst abzustürzen. Im als Theatersaal genützten „Schwarzen Saal" und sogar in manchen Schlafräumen existieren noch die originalen holzgeschnitzten Rosettendecken aus der Renaissance. Den „Kaisersaal" und den „Radmeistersaal" - er wird derzeit als Schülerbibliothek umgestaltet - schmücken Stukkaturen und Fresken aus der Zeit um 1620.

Das Stift war von 1218 bis zur Aufhebung auch Sitz der steirischen Landesbischöfe.

Die Basilika mit ihren beiden mäch-tigen(wiederaufgebauten) Türmen, ihrem dreischiffigen, romanischschweren Innenraum ist bis heute für viele Menschen das Zentrum liturgischen Fcierns geblieben. Seit den Tagen von „Bund IMeuland" und der „Liturgischen Bewegung" feiern Gläubige gemeinsam mit den Mönchen die Kar- und Ostertage. Lange vor dem Konzil hat hier die Osternachtfeier schon am späten Abend des Karsamstag begonnen.

Die zwischen 1952 und 1960 von Herbert Boeckl ausgemalte Seitenkapelle, die „Engelskapelle", ist mit der eigenwilligen, von sinnlicher Religiosität geprägten bildhaften Auslegung der Offenbarung des Johannes ein in ihrer Art beeindruckendes Kleinod.

Alljährlich im Stift stattfindende Konzerte (von der Volksmusik und Klassik bis zum Jazz), Theateraufführungen, Ausstellungen setzen den „kulturellen Auftrag" der Kirche wie selbstverständlich fort, dem überdauernden Selbstverständnis von Stiften und Klöstern entsprechend.

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