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Dürnsteiner Juwel

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Zu Weihnachten wird wie in llängst vergangenen Tagen zum ersten Mal wieder vor einer der schönsten barocken Krippen ein Festgottesdienst zelebriert. Die Krippe, von Kunsthistorikern als einziger mit einem dreiteiligen Antependium (Vorsatztafel) geschmückter barocker Weihnachtsaltar klassifiziert, steht im Kreuzgang des ehemaligen Augustiner-Chorherrenstiftes Dürnstein. Sie ist im Rahmen der Generalsanierung des Stiftes in einjähriger Arbeitszeit endlich restauriert worden.

Im Unterschied zu den anmutigen Gebäuden des Stiftes, an denen periodisch die notwendigsten Er-haltungsmaßnahmen durchgeführt worden sind, hat dieses Juwel barocker Volksfrömmigkeit mit seinen durchschnittlich 70 Zentimeter großen Figuren seit der Aufhebung des Klosters durch Kaiser Josef II. im Jahre 1788 bislang keine Pflege erhalten. Die Vernachlässigung hatte nicht nur dazu geführt, daß dieses holzgeschnitzte Symbol einer Wirklichkeit, durch das der Mensch Zugang zu Gott finden sollte, von Schmutzkrusten überzogen war. Das von Anobien zerfressene Holz war auch morsch. Mancher Figur fehlte ein Teil des Gesichtes, eines Fingers oder des Gewandes.

Auftraggeber von Krippe und Kreuzgang, einem überaus originellen Andachtsraum, war Hieronymus Übelbacher. Der 1710 zum Propst gewählte Augustiner-Chorherr ging als gelehrt, kunstliebend und beim barocken Umbau des Stiftes als Koordinator fungierend in die Analen ein. Leitender Bauführer war Joseph Munggenast. Am Eingangsportal und Stiftshof arbeitete der St. Pöltner Baumeister Jakob Prandtauer, an Kirche und Turm der kaiserliche Hofbildhauer Matthias Steinl. Zahlreiche Künstler und Handwerker waren an der Ausführung des architektonischen Schmuckes und der Innenausstattung der Kirche beschäftigt.

Für das Interieur des Kreuzganges holte sich Übelbacher einen der renommiertesten italienischen Künstler, den aus Parma stammenden Antonio Galli Bibiena, der ein großartiges Beispiel der Zeit schaffen sollte: das heilige Grab in der Manier eines Kulissentheaters. Für den Weihnachtsaltar, unter dessen Bildfolgen sich das Antependium mit Verkündigungsszene, Anbetung der Könige und der Predigt Johannes des Täufers befindet, verpflichtete er den Frankfurter Bildhauer Johann Schmidt, Vater des berühmten Kremser-Schmidt, dem wir auch den genialen Skulpturenschmuck am Kirchturm verdanken.

Wie aus den Aufzeichnungen des Propstes hervorgeht, bestellte Übelbacher am 15. Jänner 1729 die Krippe. Der Bildhauer verlangte 93 Gulden dafür. Der Propst gab ihm 75.

Bereits im November des selben Jahres hatte Johann Schmidt sein Werk vollendet. Es umfaßt oben in der Mitte das Jesuskind in seiner Krippe, flankiert von Maria und dem Nährvater Josef, dem Ochsen, zwei Hirten mit einem Lamm sowie einer Hirtin mit Korb. Das Fresko an der Wand dahinter zeigt die Herbergssuche. Die rechte Szene hält die Flucht aus Ägypten fest: Maria, das Kind im Arm, reitet auf einem mit Pilgerflasche und Hut beladenen Esel, den Josef mit seiner rechten Hand führt, während er in der linken das Zimmermannswerkzeug hält. Der heiligen Familie folgt ein kleiner Engel, dem Schmidt die Rolle eines Gepäckträgers zugewiesen hat. Hinter dem ein wenig ungeschlacht geratenen Esel steht eine Palme. Das Wandfresko enthält Darstellungen von Palmen und schwebenden Engeln. Die linke Bildfolge führt den Betle-hemitischen Kindermord in Gestalt von vier verzweifelten Frauen und zwei kaltblütig auf vier Kinder einstechenden Soldaten vor Augen. Auf dem Fresko hinter der Gruppe gibt es weitere Engel und ein monumentales Gebäude.

Voraussetzung für eine sinnvolle Erneuerung des Kreuzgang-Inventars war die bauliche Wiederinstandsetzung des gesamten Traktes, den man seit der Aufhebung des Stiftes und der Übertragung der Gebäude an das Chorherrenstift Herzogenburg nur einmal -und zwar zwischen 1953 und 1957-grob ausgebessert hatte. Unvermindert eindringende Feuchtigkeit, Klimaschwankungen und dadurch entstandene Kristallisationen wirkten sich nicht isoliert auf das Mauerwerk und die Wandmalereien aus, wo Schäden unterschiedlichen Grades auftraten. Sie übertrugen sich auch auf die Einrichtung.

Deshalb entsalzten die Restauratoren des Bundesdenkmalamtes in den Jahren 1988 und 1989 zunächst Decke und Wände, bauten eine Klimaanlage ein und verlegten den Steinfußboden neu. Die bei früheren Restaurierungen in nicht historischer Farbgebung verputzten Wände wurden abermals marmoriert. Der reiche, teilweise abgeblätterte Freskoschmuck von Johann Gottlieb Starmayr und Balthasar Scabino de Rosaf orte wurde gereinigt und restauriert.

Insgesamt dürften sich -die. Kosten für die Arbeiten an Kreuzgang und Krypta auf rund sieben Millionen Schilling belaufen.

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