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Tiroler Schaffen im Wiederaufbau

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Am 16. Dezember 1944 trafen die Propsteikirche St. Jakob in Innsbruck zwei Fliegerbomben, sdilugen ihr Querschiffgewölbe ein und zerstörten zum größeren Teil auch die von Cosmas Damian Asam gemalten Dedkenbilder. Solange üie nationalsozialistische Herrschaft noch dauerte, durften keinerlei Sicherungsarbeiten vorgenommen werden, wodurch während des Winters begreiflicherweise noch weitere Sdiäden entstanden. Erst nach dem Zusammenbruch konnte man mit den Wiederherstellungsarbeiten beginnen, die durch den allgemeinen Arbeiter- und Materialmangel sehr behindert sind. Es ist das persönliche Verdienst des Architekten Theodor Huter, daß trotzdem schon viel geleistet werden konnte und vor allem das Querschiffgewölbe größtenteils wieder erneuert ist.

Gleichzeitig mit der Wiederherstellung des Baues geht aber eine Aktion Hand in Hand, die über die bloße Bewahrung des Alten wesentlich hinausweist und aller Not und Zerstörung zum Trotze Neues schafft und ein Werk in Angriff nimmt, an das man sich volle zweihundert Jahre nicht herangewagt hat. An der bewegten und reich gegliederten Kirchenfassade befinden sich näm-lidi neun Nischen, die für die Aufnahme von Heiligenstatuen bestimmt sind. Ein alter Stich zeigt diese Figuren auch bereits an Ort und Stelle, in Wirklichkeit aber wurden sie niemals ausgeführt. Nur in die Giebelnische stellte man provisorisch eine aus Papiermache fabrizierte Jakobsstatue, die 1914 durch eine Figur aus Kunststein ersetzt wurde. Die übrigen acht Nischen aber blieben leer und auch der Schreiber dieser Zeilen, der schon vor einem Vierteljahrhundert die Pfarrei St. Jakob übernahm, kannte damals keinen Bildhauer, dem er eine derartige Aufgabe anvertrauen mochte. Unterdessen aber hatte der in Wien ausgebildete Innsbrucker Hans Andre Gelegenheit

gefunden, durch eine Reihe tüchtiger Arbeiten sein von Jahr zu Jahr sich steigerndes Können unter Beweis zu stellen und ihm wurde schließlich der Auftrag erteilt, zunächst einmal die vier Nischen des Erdgeschosses mit Statuen zu schmücken.

Innsbruck gehörte seit unvordenklichen Zeiten zur Diözese Säben-Brixen und erst der Verlust Südtirols hat es von diesem altehrwürdigen Bischofssitz getrennt. So faßte nun die Kirchenvorstehung den Plan, für diesen geschichtlichen Zusammenhang in den neuen Fassadenstatuen einen monumentalen Ausdruck zu schaffen und die vier untersten Nischen mit den Gestalten der vier heiligen Bischöfe zu schmücken, welche die Diözese Säben-Brixen regierten und von denen drei, und zwar auch noch in Nordtirol, als Diö-zesanpatrone verehrt werden. Es sind das der heilige Kassian, der nach der Legende das Bistum im IV: Jahrhundert gründete, St. Ingenuin, der um 600, St. Albuin, der um das Jahr 1000 und der selige Hartmann, der 1140 bis 1164 regierte.

Die Statue des seligen Hartmann wurde schon 1941 aufgestellt. Hartmann, der erste Propst von Klosterneuburg und dann Bischof • von Brixen, war ein ernster, asketischer Mann, der von Kaiser Barbarossa sehr geschätzt wurde, obwohl er in seinem Kampfe mit dem Papste diesem die Treue hielt. Andre hat ihn sehr sinngemäß als ernsten Greis dargestellt, der. von der Not der schweren Zeit tief beeindruckt, segnend die Hand erhebt und die drohenden Übel beschwört. Da in der nächsten Nähe und in der Richtung dieses Gestus die Gestapo ihren Amtssitz hatte, sagte der Volkswitz, der Bischof spreche gegen sie den Exorzismus.

Im vergangenen November konnte endlich auch die Gegenfigur, der heilige Ka sian, aufgestellt werden. Die lange Verzögerung wurde durch die Transportschwierigkeiten

verursacht, rückt zugleich aber auch den Fortschritt, den der Künstler unterdessen gemacht hat, ins hellste Licht. Schon die erste Figur war sehr geschickt in die Nische hineinkamponiert, bei der neuen Statue aber ist das noch weit besser gelungen. Zumal der prächtige Kopf, der das Gesims der Nischenwölbung überschneidet, fügt sich vorzüglich in den Raum und hebt sich scharf und klar vom schattigen Hintergrande ah. Dabei wächst er wundervoll organisch aus Hals und Nacken heraus und ist auch für sich selber in seiner jugendlichen Schönheit und starker Beseelung noch weit eindrucksvoller, und dem besorgten Ernst der älteren Hgur tri hier der strahlende Optimismus der Jugend gegenüber, den keine Not und keine Schwierigkeit schreckt und der auch in schwerer und düsterer Zeit voll Mut und Erobe-mngslust die lichte Lehre des Christentums verkündigt. Nach der Legende war St. Kassian der erste Glaubensbote des noch heidnischen Gebiets und gründete das Bistum Sähen. Von dort vertrieben, ließ er sich in Imoda nieder und unterriditete dort die heidnischen Kinder und wurde von ihnen mit den Griffeln zu Tode gemartert, woran der kleine Knirps am Sockel erinnert. Hingewiesen sei auch noch auf die reiche Bewegung und plastische Belebung der .ganzen

Figur, die “durch die rahmende Nische zusammengehalten und gebändigt wird.

Der schöne Wappenstein, der hier noch abgebildet erscheint, ist ebenfalls eine neue Arbeit von Hans Andre und ist für den Schreiber dieser Zeilen als Grabdenkmal bestimmt. In alten Zeiten war es sehr gebräuchlich, daß man sich seinen Grabstein selber anfertigen ließ, weil man ja nie wissen konnte, ob Nachfolger oder Erben sich darum kümmern würden. Wie berechtigt diese Sorge -war, beweist an besten die Tatsache, daß man auf so manchem alten Grabmonument nachher nicht einmal che Lücke ausfüllte, die für das Jahrzehnt des Sterbedatums offen geblieben war. Nach diesem Vorbild der Alten wurde denn auch der hier abgebildete Stein in Auftrag gegeben und Hans Andre hat damit ein Werk geschaffen, dessen exakte Formgebung und vorzügliche Raumverteilung alles Lob verdient und an dem ganz besonders auch der lieblidie Engelskopf angenehm auffällt. An der Fassade von St. Jakob aber harren noch sieben weitere Nischen auf ihre Statuen und mit dem sieghaften und vor der schweren Zeit unentwegten Optimismus, der aus dem Antlitz des heiligen Kassian spricht, wird der Meister, der in der vollen Kraft seines Schaffens steht, 'hoffentlich auch diese Aufgabe bewältigen.

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