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Wählen oder nicht wählen?

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Wenn sich jetzt nach den bur-genländischen Ereignissen noch mehr von Politik und Parteien angeekelt abwenden, ist das keine Überraschung. Hilft aber Resignation? Bereitet sie nicht noch größerem Schaden den Weg?

Es liegt nicht an der Demokratie. Es liegt daran, was Demokraten aus ihr machen. Wähler wie Gewählte.

Wahrscheinlich werden die Wiener Wahlwerber am kommenden Sonntag den ersten Teilbetrag der burgenländischen Zeche bezahlen. Die Wahlbeteiligung, in der Bundeshauptstadt ohnehin laufend abnehmend (1983 ist wegen der Gleichzeitigkeit von National- und Gemeinderatswahlen atypisch), droht von über 70 Prozent gegen die 60-Prozent-Marke abzurutschen.

Wenn Nicht- und Weiß-Wähler

— die obskure „Aktion weiß“ (FURCHE 42/1987) wird in diesem Zusammenhang eine höchst untergeordnete Rolle spielen -zusammen einmal ein gutes Drittel der Wahlberechtigten ausmachen, bedeutet das für unsere Form der repräsentativen Demokratie eine Aushöhlung.

Neu ist nicht, daß verschiedene Gruppierungen bewußt ihre Schwächung vorantreiben, neu ist, daß sie jetzt dafür sogar bürgerliche Handlanger gefunden haben.

Einmal angenommen, die Wahlbeteiligung geht so deutlich zurück und die Zahl der ungültigen Stimmen nimmt merkbar zu: Dann wird der Ausgang der Wiener Wahlen unkalkulierbar, und es kann zu erdrutschartigen Verschiebungen bei der Mandatsverteilung kommen.

1983 kamen von 100 Wiener Mandaten nur acht billigere Restmandate zur Verteilung. Diesmal ist damit zu rechnen, daß SPO und ÖVP - bei angenommener geringer Wahlbeteiligung — weit weniger Grundmandate schaffen, dafür aber FPO und Grünalternative, wenn sie die Fünf-Prozent-Hürde nehmen, ohne Grundmandat mit ihrem vollen Stimmenanteil im zweiten Ermittlungsverfahren Restmandate absahnen.

Am erfolgreichsten wird unterm Strich jene Partei sein, die auch bei geringer Wahlbeteiligung maximal ihre Sympathisanten zu mobilisieren vermag. Dreimal darf geraten werden, warum Jörg Haider seinen Rücktritt als FPÖ-Obmann „angedroht“ hat und damit auch noch ernst genommen werden möchte.

Wahlarithmetik, Zufall, vieles wird am kommenden 8. November eine Rolle spielen, wird die Entscheidung herbeiführen. Wer nicht oder ungültig wählt, hat sie ungeteüt mitzuverantworten, macht sich zum Steigbügelhalter politischer Hasardeure.

Wer ein größeres Übel abhalten will, muß manchmal das — für ihn

— kleinere wählen, auch wenn er sich über alle ärgert. Burgenlän-dische Verhältnisse sind aber nur durch klare Verhältnisse zu verhindern.

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