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Woran es noch krankt

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Das Leben des Menschen ist ein Grundwert, ein zentrales Geschenk des Schöpfers. ,JDieser Mensch kann nicht ohne Liebe leben ... Sein Leben ist ohne Sinn, wenn ihm nicht die Liebe geoffenbart wird, wenn er nicht der Liebe begegnet, wenn er sie nicht erfährt und sich zu eigen macht“ (Johannes Paul II. in der Enzyklika ,£)er Erlöser des Menschen“).

Der Mensch soll selbst und durch die Gemeinschaften für den Mitmenschen und für

das Gesundsein sorgen. Das Leben als Geschenk ist der Grundwert, den weder der Mensch selbst noch sein Mitmensch noch eine Institution angreifen darf.

Vielmehr hat der Mensch das Recht und die Pflicht, für das Leben und die Gesundheit zu sorgen, da er sonst gegen das Leben verstoßen würde, das ja seine Existenz ausmacht, die er sich selbst nicht gegeben, sondern die er gut zu verwalten hat. *

Gesundheit ist nicht nur eine Frage der körperlichen Gesundheit. Immer mehr weisen Experten der Gesundheitsforschung darauf hin, daß jede Krankheit ein gesamtgesellschaftliches Phänomen darstellt und der Arzt diese Gesamtschau haben soll, aber ebenso die Vorsorgeeinrichtungen dies zu beachten, haben. Der alte traditionelle Landarzt hat oft am stärksten diese Zusammenhänge gespürt^ da er für alles befragt wurde.

Die geistig-seelische Dimension des Menschen ist in Gesundheit und Krankheit besonders wichtig. Nicht umsonst haben daher auch Rekonvalesationszentren ■ diese Gesamtschau immer mehr betont und in die Vorsorge und Fürsorge einbezogen.

Wie viele Menschen sind heute seelisch krank, und in wie vielen spiegelt sich dies in den körperlichen Krankheiten wider?

Die große Zahl der Geisteskrankheiten, die jeden Menschen überfallen können, wird erst langsam in die gesundheitliche Gesamtschau einbezogen. Heute erkennen wir, daß Nervenkliniken, Institute für die Heilung der Geisteskranken und die Obsorge für geistige Gesundheit einen entscheidenden Stellenwert einnehmen. •

Hier stehen wir auch vor der Frage: Muß nicht unsere Gesellschaft, die so vielen anormalen Bedrängnissen ausgesetzt ist, so vielen Aufrufen zum Genuß und zum Habenwollen, zur Gewalttätigkeit und zum Konsum, wieder entschlackt werden? Sollten nicht Ärzte ihre Uberzeugung ausdrücken können, daß die Formen des Stresses — der Zwangsvorstellung vom Leistungsmenschen — falsch sind und zur allgemeinen Krankhaftigkeit des Menschen hinführen?

Krankheit ist eben mehr als körperliche Krankheit.

Bischof Alois Wagner ist Vizepräsident des Päpstlichen Rates „Cor Unum“. Diese Gedanken waren Gegenstand seines Referates am 18. August 1986 in Alpbach.

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