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Der Arzt als Erzieher und Freund

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In die Wege geleitet war der medizinische Kurs der diesjährigen Salzburger Hochschulwochen wieder von dem Leiter des Landeskrankenhauses und früheren Präsidenten des Diözesanausschusses, Prof. Dr. Erwin D o m a n i g, der das Programm in diesem Jahr vor allem auf die Persönlichkeitsbildung des christlichen Arztes ausgerichtet hatte. In diesem Sinne gerichtet war der Vortrag des Dozenten Dr. Hans Asperger, Wien, über den „Arzt als Erzieher". Die höchste Leistung des Arztes besteht in der Achtung vor Menschenwürde und seelischer Not. Es ist eine Gefahr unseres Zeitalters, zu sehr das Körperliche zu sehen und zu wenig den Wert des Charakters. Dabei ist wissenschaftlich nachgewiesen, daß der Mensch nicht existieren kann ohne jene Beziehungen, die über das rein Körperliche hinausgehen. Kleinkinder, die sonst in jeder Hinsicht versorgt werden, mit denen aber nicht gesprochen wird, siechen dahin und gehen zugrunde. Der Mediziner hat es nie mit einem Teil des Menschen allein zu tun, sondern mit dem Totalorganismu9. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, sich ein Bild vom Milieu des Kranken zu verschaffen und dafür zu sorgen, daß er in seelisch gesunder Luft geheilt werden kann.

Uber die Behandlung des „unheilbaren Kranken“ sprachen Professor Dr. Richard Ü b e 1 h ö r, Wien, und Professor Dr. Jakob Klaesi, Bern. Beide Ärzte betonten übereinstimmend die Wichtigkeit des Seelischen. Professor Dr. Übelhör erinnerte daran, daß die Unsterblichkeit der Seele allein der Pflege des Unheilbaren Sinn und Recht verleiht. Mit vielen Beispielen aus der eigenen Praxis belegte er den Satz, daß vielfach der Kranke, der als unheilbar gilt, bei genauerer Untersuchung heilbar erscheint. Oft wird die Behandlung des Unheilbaren nur deswegen abgelehnt, weil man sich nicht Zeit nimmt zur geduldigen Erforschung der Wurzeln des Übels. Energisch wandte sich der Sprecher gegen die Verstaatlichung der Ärzteschaft, wie sie in der Tendenz gewisser Unternehmungen und ihrem Versuch liegt, den Arzt in einen mechanischen Betrieb einzuschalten. Soll der Kranke künftig nur eine Nummer, der Arzt nur mehr ein Beamter sei®, ein Rad in einem großen Mechanismus, ohne inneren persönlichen Kontakt mit dem Kranken zu haben? In der ärztlichen Berufsausübung kommt es gerade auf die persönliche Beziehung zwischen Arzt und Kranken, auf das Verstehen des Arztes und das Ver-

trauen des Patienten an. Die Einwirkung auf die seelische Verfassung des Kranken ist oft das heilungsentscheidende Element.

Prof. Dr. Jakob Klaesi führte das Thema weiter. Auch er vertrat die Ansicht, daß es für den geborenen Arzt keine unheilbare Krankheit gibt. Krankheit als solche sei ein sozialer Begriff, eine Störung durch Ausfall und Mängel psychischer und körperlicher Funktionen, auch Störung der Anpassungsfähigkeit an die Anforderungen des Lebens. Wichtig ist nicht so sehr der Grad der Störung als das, was der Krankheitsträger daraus macht. Wichtig ist die Deutung, die der Kranke der Krankheit gibt, die Ausschaltungstendenz — und daher seine Weltanschauung. Wichtig ist der Wille zur Gesundheit. Stärke entsteht nicht durch Schonung, sondern durch Leistung bis zur Höchstgrenze. Es ist darum weniger gefährlich, Gefahren zu begegnen als sie zu meiden. Wer seine Gesundheit „pflegt“, wird leicht für Krankheiten anfällig sein.

Letztlich lebt der Mensch nicht vom Brot allein. Wer nicht von einer Weltanschauung getragen wird, hat es schwer. Bei ihm besteht immer eine gewisse Müdig- keits- und Apathiebereitschaft. „Überarbeitung“ und „Nervenzusammenbrüche" sind keine medizinischen Phänomene, sondern auf Fehlen einer geistigen „Mitte" zurückzuführen. Die meisten laden sich zu viel auf, wie bei der Wanderung, so auch im Leben. Nur die Güte kann hier heilend wirken.

Die Persönlichkeit des Arztes und sein Blick für die Persönlichkeit sind das Geheimnis, das den Kranken wie den vom Leben seelisch Versehrten so weit bringt, wieder teilzunehmen am Leben. Der Arzt muß anregen, begeistern, hinreißen können. Er muß wissen, daß der unheilbare Krankender sich nicht aus seinem täglichen Pflichtenkreis herausreißen läßt, der in seiner Fähigkeit zu Opfer und Hingabe schöpferische Eigenschaften entwickelt, den ein stärkendes Band mit der Gemeinschaft verknüpft, in Wahrheit nicht zu den „Unheilbaren“ zählt. In der Heilkraft für den „Unheilbaren“ zeigt sich der wahre Arzt. Die medizinische Sektion bot insgesamt eine wertvolle Ergänzung der Gesamtleistung der heurigen Hochschulwochen. Sie wird hoffentlich auch dazu beitnagen, daß in den Mechanismus der Krankenkassenpraxis wieder eine Bresche geschlagen wird, vor allem zum Nutzen der ärztlichen Hilfe und Heilung suchenden Bevölkerung.

R. Me dg er

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