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Zeitgenosse

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In der eigenen und sehr kleinen Parlamentsfraktion wird er geschnitten, der Bundesvorsitzende seiner Partei mag ihn nicht ausstehen, in seinem politischen Wahl-Heimatland Kärnten gilt er, so urteilt er selbst, als „Unperson“: Dr. med. Otto Scrinzi, Primarius am Klagenfurter Landesksankenhaus, Hobby-Anthropologe, in der Politik ein Außenseiter aus Leidenschaft.

Vor einundsechzig Jahren wurde er in Südtirol geboren, lernte leicht und rasch, studierte Medizin und spezialisierte sich auf Nervenleiden. Eine Leidenschaft für die Regelung öffentlicher Angelegenheiten, also für die Politik in einem sehr umfassenden Wortsinn, erfaßte ihn schon in jungen Jahren. Wahrscheinlich hätte der drahtige Südtiroler im Dritten Reich mehr als Berge erklimmen können, doch damals fand er schon, daß Machthaber ihre Grundsätze — und seien sie noch so verpönt — sehr strikt zu befolgen hätten; er überwarf sich mit einem Regime, das in den Statuten seinen politischen (und auch anthropologischen) Vorstellungen sehr nahe kam, aus prinzipiellen Gründen, mußte dafür sogar mit Kerkerstrafe büßen. So kam es, daß ein Mann, der sich einst wie heute sehr weit rechts von jeder Mitte fühlt, zu den Verfolgten und Büßern des Dritten Reiches gehörte. Fast schon ein Treppenwitz einer historischen Phase dieses Landes.

Sehr früh fand Otto Scrinzi zum WdU, später zum VDU und zuletzt zur FPÖ, die ihn alsbald als Kärntner Delegierten in das Parlament entsandte. Dort gefiel Otto Scrinzi bald als Sprecher in forschungs-und wissenschaftlichen Belangen. Als solcher gefällt er, der recht langatmige Redner, noch heute. Dagegen mißfällt er, wenn er beispielsweise über Fragen der Euthanasie und der Sterilisierung, über Rassenprobleme in Südafrika und nicht nur dort, sehr unzensu-rierte Positionen einnimmt. In der Diskussion kann man gegen den umfassend gebildeten und sehr intensiv grübelnden Otto Scrinzi schwer an, weil sich dann bald herausstellt, daß sich hinter der politischen Fassade eines politischen Rechtsaußen ein Mann verbirgt, der jeden Gedanken, seine Haltung insgesamt, immer wieder überdenkt und doch nicht fähig ist, eine Welt von startchancengleichen Menschen zu verstehen und zu akzeptieren.

Als die Politik der FPÖ nach links umschlug, stand Otto Scrinzi seinen Mann auf der „rechten“ Seite. Aus seiner Sicht ist eine „Konvergenz mit den Großparteien sicherlich vorhanden — aber für mich nur rechts der Mitte, sicherlich nicht links davon. Hier gibt es keine Konvergenz. Ich bin nun einmal überzeugt antikollektivistisch und antinihilistisch sowie ein entschiedener Gegner des marxistischen Utopismus und sedner gesellschaftspolitischen Vorstellungen“.

Als sich sein Parteiobmann Friedrich Peter nahe dem Einzug in ein Kabinett Kreisky sah, sprach Otto Scrinzi: „5,5 Prozent sind mir dazu zu wenig“. Und als alle Welt den superschlauen Taktierer Peter rühmte, meinte Scrinzi äußerst kritisch: „Es ist nicht die Aufgabe der FPÖ, dadurch an politischem Einfluß zu gewinnen, daß sie durch sehr geschicktes, kluges, vielleicht auch hartes Taktieren personal den Einfluß auf entscheidende Positionen vergrößert“.

Als die Rolle Friedrich Peters in den Rußlandfeldzügen des HitlerRegimes genauer geprüft wurde und dabei nur Arges zutage kam, riet der „rechte“ Scrinzi seiner Partei, den Mann auch aus Gründen der politischen Moral auszutauschen.

Dieser Rat kam ihm teuer: Er wurde aus dem Bundesvorstand der FPÖ gedrängt, zur „Unperson“ deklariert. Da er 1979 ohnedies aus dem Parlament scheiden möchte, ist jedenfalls wahrscheinlich, daß er nicht den Weg eines „wilden Abgeordneten“ wählen wird. So sitzt er denn im Parlament, ein politischer Außenseiter aus Leidenschaft, dem es nicht gegeben ist, Gruppenhaltungen und -meinungen unkritisch zu akzeptieren.

Und eben hat der Zeitgenosse wieder einmal für „neuen Sprengstoff“ gesorgt. Er duldet keinen Aufschub der Führungsdiskussion in seiner Partei, will, daß Peter seine Funktionen hinlegt, ehe es für die FPÖ zu spät ist.

Mit solchen Äußerungen gelingt es ihm noch allemal, an die Öffentlichkeit, die er mehr sucht, als er zuzugeben bereit ist, zu dringen. Und doch weiß jeder, daß sie schon deshalb wenig Chancen auf Erfolg haben, weil gerade er, der unbequeme Otto Scrinzi, sie getan hat.

Denn er dürfte noch im Irrtum klüger sein, als viele, die aus Opportunismus die gerade aktuelle Wahrheit suchen und nachplappern.

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