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„Zionistische Handlanger“

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In den tschechoslowakischen Massenmedien sind der Kulturantisemitismus und der AntiZionismus zu Slogans geworden. Kaum ein Tag vergeht dort ohne antisemitische Hetzthemen.

Die erste antisemitische Welle überflutete die CSSR bereits in den fünfziger Jahren. Als sie verebbt war, herrschte relative Ruhe bis zum Ausbruch des Arabisch-Israelischen Krieges. Seit 1967 ist der als „Anti-zionismus“ getarnte Antisemitismus wieder salonfähig geworden. Die kurze Dufocek-Ära bildete dabei eine Ausnahme.

Wie schüren, ermuntern und praktizieren nun die ultraroten Hitler-Epigonen den modischen Antisemitismus?

Der junge jüdische Avantgardist, Ivan Klima, wagte es, in seinem Theaterstück „Das Schloß“ das Treiben korrupter Parteiprominenz treffend zu karikieren. Das Lustspiel wurde wegen seines Erfolges auch verfilmt. Schon bei Beginn der Dreharbeiten wurde das Filmteam, zusammen mit Klima, in den Massenmedien angegriffen. Dies gab Anlaß, daran zu erinnern, daß im Lande auch andere jüdische Intellektuelle kritisch tätig und daher im höchsten Maße suspekt seien.

Die Brutstätte des amtlich geduldeten Antizionismus war die Slowakei. Dabei spielten nicht nur Gefühle, sondern aueh Brotneid und Schadenfreude mächtig mit. Miiackos Emigration und der nahöstliche Krieg boten jetzt gute Zielscheiben. Da der Redaktionsstab des längst verbotenen „Kulturny Zivot“ Objektivität bewahrte, wurden später der Chefredakteur Ladislav Novomesky und zwei weitere Redakteure, Valek und Mihalik, gefeuert.

An der gespaltenen Front der Schriftsteller blieb allerdings vorerst die proisraelische Gruppe stärker, derer berühmteste Exponenten Tatarka,- Karvas,- Hykisch, StevCek und JeSenska waren. Eine kleinere, national-kommunistische Gruppe wurde von Laco Novomesky angeführt und sie bezog eine antiisraeli-sohe Stellung. Diese sogenannten Föderalisten besaßen als Fahnenträger die Blätter „Predvoj“ und „Nove Slovo“. Die Proisraeliten nannten sich „Demokraten“ und plädierten für eine wirkliche Demokratisierung der Slowakei an Stelle der Föderali-sierung. Diese Polemik wurde von Arnost Lustig und Laco Novomesky angeführt. Zwecks Diffamierung Lu-stigs, bezichtigte das Hauptparteiorgan „Rüde Prävo“ ihn der Verbreitung „passioniert voreingenommener, proisraelischer und prozionistischer Kommentare durch das Fernseihen“. Novomesky setzte das Verhalten der israelischen Armee gegen die arabische Bevölkerung auf eine Stufe mit den Greueltaten der Nazis. Lustig antwortete in einem offenen Brief, ihm sekundierte in „Kulturny Zivot“ Eugen Loebl. Die Nachwirkung jener Polemik ist bis heute spürbar. Radio Hvezda griff im September 1970 Lustig, Mnaöko, Goldstücker und die ganze Redaktion der aufgelösten „Kulturny Zivot“ heftig an und behauptete, die CSSR sei nur „formell ihre Heimat“. Zugleich sang es Loblieder auf das Buch des So-wjetschriftstellers Iwanow: „Achtung, Zionismus!“ und alsbald wurde dieses antijüdische Hetzwerk in slowakischer Übersetzung veröffentlicht, um „die teuflischen Charakterzüge des heutigen Zionismus“ zu demaskieren.

Die slowakischen Literaten wiederum wurden wegen der „Verkennung des schädlichen Charakters des Zionismus“ getadelt; sie hatten nämlich Auszüge aus den Werken der jüdischen Nobelpreisträgerin Nelly Sachs publiziert Das besagte Radio stempelte Nelly Sachs als „Propagandistin der zionistischen Ideologie“ ab: „Wir wünschen zu erfahren warum ein Buch mit Gedichten, die das aggressive Israel verherrlichen zu dieser Zeit veröffentlicht wurde!“

Es folgten antisemitische Ausfälle gegen das Buch des emigrierten Arthur London ..Das Geständnis“, das

und griechische Kommunisten ein Welterfolg wurde.

Mit enormer parteiamtlicher Reklame warf das Prager Verlagshaus Svoboda ein Machwerk des F. J. Kolaf mit dem Titel „Zionismus und Antisemitismus“ in der Serie „Dialoge“ um einen Spottpreis auf den Markt. Kolaf bezeichnet darin Israel als eine „künstliche Nation“ und bestreitet das Recht der ..Zionisten“, im Namen von 14 Millionen Juden aufzutreten. Auf Seite 56 steht zu lesen: „Es sind nicht nur die sozialistischen Länder, sondern auch die Mehrheit der Juden in der Welt, die dieses Recht den Zionisten absprechen.“

Nun dauerte es eine Weile, bis die Hetze wieder aufflammte. Anfang November 1972 begann Radio Hvezda die Trommeln wieder energischer

zu schlagen, als „zionistische Ideologen“ angegriffen wurden, weil sie das „gemeinsame Schicksal aller Juden“ propagiert hatten, woraus „weltumspannende jüdische Aspirationen“ abgeleitet wurden.

Im Jahre 1972 wurde eine antisemitische Kampagne in der tschechoslowakischen Parteipresse (eine andere gibt es übrigens gar, nicht), im Radio und im Fernsehen gestartet. Die Ouvertüre zu dieser konzentrierten Attacke erschien in der Wochenzeitschrift der KP „Tribuna“. Der Artikel trug den Titel „Zionismus ohne Maske“. Im Sommer 1972 folgte dann eine ganze Serie unter dem Titel „Zionisten gegen die Partei“.

Auch Radio Prag begann seine neue Kampagne gegen die Juden Ende Mai 1972 mit einer „Diskussion über die Ideologie des zeitgenössischen Zionismus“. Hörer fragten in Briefen oder telephonisch an, und die Kommentatoren J. Kolaf, Josef Skydabek und Vaclav Jumr antworteten vor dem Mikrophon mit dem Ziel, die Mitwirkung der „tschechoslowakischen Repräsentanten des Zionismus und des Judaismus“ an der Dubdekschen Reformbewegung zu unterstreichen. Die „Kafka-Konferenz von Liblice“ im Jahre 1963 wurde als Sprungbrett für den Prager Frühling dargestellt und für diesen verantwortlich gemacht. Wie bestellt, lautete die Frage eines Zuhörers: „Wie hat sich der Zionismus in der Konterrevolution von 1968 manifestiert?“ Genosse Kolaf hatte natürlich die passende Antwort parat: Viele tschechoslowakische Sohriftsteller, sowohl Juden als auch Nichtjuden, hätten damals auf Zionismus gesetzt, und 1967 sei eine „Kafka-Epidemie“ ausgebrochen, deren Ziel es gewesen sei, „unsere

intellektuelle Front zu zerschmettern und unsere Intelligenzija gegen die UdSSR und ihre Politik festzulegen“. Kolafs früher erwähntes Buch wurde in Prag wieder aufgeLegt...

M. Borovicka veröffentlichte in der „Obrana Lidu“ eine sehr scharfe Attacke gegen die Zeitschriften der Dubcek-Ära „Reporter“ und „Student“ und wählte hiefür den vielsagenden Titel „Im Dienste des Anti-kommunismus“ E.r beschuldigte die Redakteure auch nebenbei, sie hätten „im Dienste des Zionismus“ gehandelt.

Ein Angriff des Dusan Hartstiafc erschien in den Pressburger „Rol-nicke Noviny“ unter dem Titel „Zionismus — der Faschismus unserer Tage“. Radio Hvezda widmete dem Flüchtling Erich Schön-Kulka ein Pragramm, das zum Anlaß diente, den „antikommunistischen Charakter des Zionismus“ zu betonen.

Der tschechoslowakische Antisemitismus hat viele Gesichter. Da gibt es Angriffe anläßlich des diesjährigen zionistischen Kongresses; da liefert man ideologische Trapezkünste zwecks Beweisführung, daß „die Zionisten koordinierte Aktionen der reaktionären Kräfte in der ganzen Welt gegen Fortschritt und Sozialismus“ und eine „konzentrierte Offensive gegen die CSSR im Jahre 1968“ organisiert hätten; es gibt Referate über „subversive zionistische Aktionen“, die in den fünfziger Jahren stattgefunden hätten, und Angriffe gegen den israelischen Staat, wobei die „subversive Aktivität der Prager israelischen Botschaft vor dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen im Jahre 1967 in buntesten Farben geschildert wird; Diplomaten, die früher tschechoslowakische Staatsbürger waren, sollen ihre Kontakte zur jüdischen Religionsgemeinschaft mißbraucht haben, um Informationen zu sammeln und um Gruppen von Jungzionisten zu organisieren; da gibt es eine Liste der „zionistischen Handlanger“, neben den Namen von Laub, Goldstiicker, Mnacko und Lustig um zwei weitere Namen bereichert: der frühere Vorsitzende des Tschechoslowakischen Journalisten-

verbands, Vladimir Kaspar, soll in seinen früheren Jahren Konsulent des israelischen Verteidigungsministeriums gewesen sein und der ehemalige Außenminister Jifi Hajek soll ebenfalls dieser „schändlichen Gruppe“ angehört haben. Sogar der abgesetzte Rektor der Parteiakademie für Politik, Milan Hübl, soll ein „Förderer der Zionisten“ gewesen sein.

Radio Hvezda attackierte ferner den Kommentator Jan Souiek und den Journalisten Otto Körnung, der als „Verbindungsmann“ zwischen den tschechoslowakischen Streitkräften im Mittleren Osten gedient hatte. Hornung soll angeblich einen Artikel in einer Londoner Zeitung veröffentlicht haben, dessen Quintessenz gewesen sei, daß die tschechoslowakischen Juden im Kampf für die Liberalisierung die natürliche Vorhut gebildet hätten.

Da die Prager Regierung Israel verurteilt hat und eine antiisraelische Politik betreibt, kann man sich auf weitere Überraschungen und „Enthüllungen“ in einer vorläufig endlosen antisemitischen und anti-zionistischen Kampagne gefaßt machen.

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