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Rote Antisemiten

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Die erste antisemitische Welle ging in den fünfziger Jahren über die ÖSSR hinweg. Anschließend herrschte relative Ruhe bis zum israelisch-arabischen Kriege. Seit 1967 ist Antisemitismus, oft als Antizionismus getarnt, wieder salonfähig. Die Dubcek-Ära bildete eine Ausnahme.

Vor allem die Slowakei wurde Brutstätte des amtlich geduldeten Antisemitismus. Manche slowakischen Schriftsteller haben das aus Opportunismus, Schadenfreude oder Brotneid mitgemacht, oder weil sie zum Antisemitismus neigten. Mnackos Emigration nach Israel bot ebenfalls gute Anlässe.

Die führende Kulturzeitschrift „Kulturny 2ivot“ (längst verboten!) hat während der Tauwetterperiode Mnacko in Wien interviewt und einen langen Artikel mit dem Titel „Der Fall Ladislav MnaCko“ veröffentlicht, die aufbrechenden Differenzen führten zum Rücktritt des Redaktionsrats.

Die Kampffront der Schriftsteller war damit in zwei Lager gespalten. Die proisraelische Gruppe war stärker und blieb um „Kulturny 2ivot“ konzentriert, ihre namhaftesten Exponenten waren Tatarka, Karvas, Stevcek, Hykisch und Jesenskä. Die kleinere, antiisraelische, nationalkommunistische Gruppe führte der ausgetretene Chefredakteur Laco Novomesky. Die Blätter „Predvoj“ und später „Novo Slovo“ wurden ihre geistigen Fahnenträger. Die Nachwirkungen dieser Polemik sind noch immer spürbar. Am 3. September 1970 warf „Radio Hvezda“ (früher: „Rodio Tschechoslowakei“) Lustig, Mnacko, Goldstücker und der Redaktion der aufgelösten „Kulturny Zivot“ vor, daß sie der sowjetischen und der tschechoslowakischen Außenpolitik „offen opponiert“ hätten, obwohl die CSSR „schließlich formell ihre Heimat“ war. Sie unterstützten laut .Radio Hvezda' die aggressive Haltung der israelischen Regierung“. Der Sender sang Lobeshymnen auf das Buch des Sowjetschriftstellers Iwanow „Attention, Zionismus!“, ein antijüdisches Hetzwerk, das kürzlich in slowakischer Übersetzung publiziert wurde. Gemäß dem über-schwänglichen Radiokommentar hat das Buch „die teuflischen Charakterzüge des heutigen Zionismus“ demaskiert, „den reaktionären Charakter des Zionismus“, seinen historischen Weg und „seine prominente Rolle in den konterrevolutionären Aktionen vor zwei Jahren in der CSSR“ aufgezeigt. Der Kommentator bejammerte „die Tatsache, daß die slowakischen Literaten den schädlichen Charakter des Zionismus nicht erkannt hätten“ und Auszüge aus Werken der jüdischen Nobelpreisträgerin Nelly Sachs in einer Ausgabe von 17.000 Exemplaren veröffentlichten. Laut „Radio Hvezda“ war diese Schriftstellerin „eine Propagandistin der zionistischen Ideologie“, die Publikation daher eine „Provokation gegen die Anstrengungen in Richtung der Konsolidierung“.

Wer noch einen Zweifel hatte, daß sich der Antisemitismus in der ÖSSR mit Parteiwohlwollen breitmacht, wurde durch die Attacken gegen Artur London, dessen Buch („Das Geständnis“) über die stalinistischen Schauprozesse, deren Opfer er selber war, von Yves Montand, Si-monet Signoret, Semprun und C. Gravas verfilmt wurde, eines schlechteren belehrt. Auch die parteiamtliche Reklame für F. J. Kolafs Buch „Zionismus und Antisemitismus“ spricht für sich. Das Werk wurde vom Prager Verlagshaus Svoboda herausgebracht (Serie „Dialoge“). Das Werk war schon 1968 fertig, gedruckt wurde es im Juli 1970, weil es seinerzeit „nicht akzeptabel“ war. Kolaf hat sich bemüht, die Problematik des internationalen Zionismus ohne Ironie ziemlich objektiv zu untersuchen, den Schein des Antisemitismus meidend. Israel bezeichnet er aber doch als „künstliche Nation“, und er bestreitet das Recht der Zionlsten, im Namen der 14 Millionen Juden der ganzen Welt aufzutreten und zu sprechen: „Es sind nicht nur die sozialistischen Länder, sondern auch die Mehrheit der Juden in der Welt, die dieses Recht (den Zionisten) absprechen.“

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