Die Bauern nicht dem Weltmarkt opfern!" - klingt eigentlich wie eine Forderung, über die man gar nicht debattieren sollte. Vor allem, wenn man bedenkt, daß der Agrarsektor in Westeuropa ohnedies in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich auf einen Restbestand von weniger als fünf Prozent der Beschäftigten gesunken ist.
Und dennoch fand dieser Appell des vor einigen Wochen veröffentlichten Buches jedenfalls in den "Agenda-2000"-Beschlüssen kaum Widerhall. Die EU konnte sich nicht auf einen eigenen europäischen Weg der Landwirtschaft einigen. Genau das aber fordern die Autoren im Hinblick auf die bevorstehenden WTO-Verhandlungen. Die EU sollte sie nach dem Motto führen: "Wir respektieren die Gesellschafts- und Wirtschaftsmodelle in anderen Teilen der Welt, aber wir verlangen von den anderen auch die Respektierung des europäischen Modells."
Und dieses sei nun einmal von kleinen Strukturen, nachhaltigem Wirtschaften, Vielfalt der Aufgaben geprägt. Ex-Landwirtschaftsminister Josef Riegler, Vater des Modells der "Ökosozialen Marktwirtschaft", beschreibt diese Strukturen in einem der Kapitel und verweist darauf, wie sehr diese Art zu produzieren auch den Wünschen der Konsumenten entgegenkomme. Denn heute werde der Ruf nach naturbelassenen, qualitativ hochwertigen, ökologisch hergestellten Produkten immer lauter. Der Lebensmittelhandel trage diesem Umstand allerdings in den meisten Ländern kaum Rechnung. Mit einer Strategie der Preissenkung bei den Produkten werde man sich diese Wünsche jedenfalls nicht erfüllen können, hält Riegler fest.
Heinrich Wohlmeyer fordert in seinem Beitrag eine Abkehr von der Grundkonzeption der Agrarpolitik, ein "Infragestellen des derzeitigen, weltweit diktierten agrapolitischen Leitbildes einer industriegleichen Land- und Forstwirtschaft zugunsten des Leitbildes einer kleinräumigen, standortorientierten und vielfältigen Landbewirtschaftung durch seßhafte Bauern." Und dieses Konzept müsse auch in den von der WTO festgelegten Spielregeln für den internationalen Handel mit Agrargütern umgesetzt werden.
Interessante Zahlen enthält das Kapitel "Keine Lebensqualität ohne Bauern". Sie geben Auskunft darüber, was die Landwirtschaft an nicht finanziell abgegoltenen Leistungen für die Gesellschaft erbringt. Die Autoren waren der Frage nachgegangen, welchen Beitrag die bayerische Landwirtschaft zur Erhaltung etwa der Wirtschaftskraft, der Naherholung, der Gesundheit, der inneren Sicherheit, der ökologischen Stabilität des Landes leistet. Das Ergebnis ist eindrucksvoll: Die Zusatzleistungen entsprechen rund 50 Prozent des über den Markt gehandelten Produktionswertes. Nur zehn Prozent dieser Zusatzleistungen werden jedoch der Landwirtschaft in Form von Subventionen abgegolten. "Würde der Bauer den Gegenwert dessen, was er mit Waren und Dienstleistungen der Wirtschaft und Gesellschaft erbringt, auch bekommen, müßten wir heute sicherlich nicht von einer Notlage in der Landwirtschaft reden," resümieren Wolfgang Baaske, Fritz Schroth und Rüdiger Sulzbacher, die Autoren des Beitrages.
Insgesamt bietet diese Sammlung von Beiträgen einen interessanten Überblick über die Notwendigkeit und die Perspektiven alternativer Ansätze in der Landwirtschaft und betonen die große Dringlichkeit ihrer Verwirklichung.
Die Bauern nicht dem Weltmarkt opfern!
Von Josef Riegler, Hans W. Popp, Hermann Kroll-Schlüter u.a., Leopold Stocker-Verlag, Graz 1999, 248 Seiten, mehrere Graphiken, öS 218,
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!