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Halbiert heißt verdoppelt
Am 5. April — also vor etwas mehr als vier Monaten — ist in Niederösterreich der aufwendigste Gemeinderatswahlkampf zu-ende gegangen. Am 19. Oktober des Vorjahres haben die Niederösterreicher ihren Landtag neu bestellt. Und im Schatten dieser politischen Entscheidungen ist es im größten österreichischen Bundesland ruhig um die Gemeindezusammenlegungen geworden.
Am 5. April — also vor etwas mehr als vier Monaten — ist in Niederösterreich der aufwendigste Gemeinderatswahlkampf zu-ende gegangen. Am 19. Oktober des Vorjahres haben die Niederösterreicher ihren Landtag neu bestellt. Und im Schatten dieser politischen Entscheidungen ist es im größten österreichischen Bundesland ruhig um die Gemeindezusammenlegungen geworden.
Das hat seinen guten Grund: Vielfach wird nämlich „am Land“ die Vereinigung von Gemeinden mit Unbehagen diskutiert, ist doch der Gegensatz der lokalen Rivalität größer als die echten Vorteile, die Gemeindezusammenlegungen mit sich bringen.
Dazu gesellt sich noch der Gegensatz der Volkspartei und der Sozialisten über das System der Gemeindezusammenlegungen überhaupt: Wollen die Sozialisten unter Führung ihres Landeshauptmannstellvertreters Czettel möglichst viele Landgemeinden mit Industriegemeinden zusammenlegen, um — wie beteuert wird — eine möglichst vielschichtige Struktur zu erreichen, baut die Volkspartei auf den Grundsatz, möglichst Gemeinden mit gleicher Struktur zusammenzufassen. Auf einen Nenner gebracht heißt das, daß die Sozialisten mit Hilfe der Gemeindezusammenleguingen versuchen, die bäuerlichen Landgemeinden durch Vereinigung mit Industriegemeinden so umzustrukturieren, daß schließlich die Industriegemeinde die Oberhand behält, während die ÖVP ihr politisches Gewicht dadurch kräftigen will, daß sie die ländliche Bevölkerung in geeinte Gemeindeblöcke zusammenschließt. Die beiden großen politischen Partner sind sich aber durchaus einig, daß die Gemeindezusammenleguingen in der allernächsten Zukunft rasch durchgeführt werden sollen. Zwar haben sie nicht den Mut aufgebracht, das „heiße Eisen“ vor den Gemeinderatswahlen dieses Jahres anzuschneiden; jetzt aber geht es nur mehr um die Betroffenen: Für den Herbst haben sich in Niederösterreich sowohl die Sozialisten wie auch die Volkspartei auf rund 300 Ge-meindezusammenlegungen einigen können. Damit werden aber auch im Herbst wiederum Gemeinderatswahlen stattfinden müssen. Es kümmert die Landespolitiker in der Wiener Herrengasse anscheinend wenig, daß nicht nur von neuem beachtliche Summen für das Werben um die Gunst des Wählers aufgebracht werden müssen, sondern auch kostbare Arbeitszeit verloren geht. Die nunmehr neubestellten Gemeinderäte werden, kaum konstituiert, aufgelöst und die kommunalpolitische Maschinerie gerät ins Stocken. Dieser „Leerlauf“ ist auch die Ursache dafür, daß VP-Klubchef Stangler die Gemeindezusammenlegungen nicht dem Zufall und dem politischen „Ränkeschmied“ überlassen will. In einem Konzept für die „Reform der Kommunalverwaltung in Niederösterreich“ sieht er die Chance, die Verbesserung der Kommunalstruktur bis 1971 abzuschließen. Bestanden in Niederösterreich 1965 noch 1652 eigenständige Gemeinden, so ist deren Zahl mit dem Stichtag 1. Jänner 1970 schon auf 1160 gesunken. Der VP-Politiker sieht nun die Möglichkeit, diese Gemeindezahl noch um weitere 621 zu vermindern, so daß schließlich 544 neue Gemeinden entstehen.
Denn es ist ein zentrales niederösterreichisches Problem, die Vielzahl der „Zwerggemeinden“, die heute kaum mehr in der Lage sind, den Verwaltungsaufwand zu erbringen, lebensfähig zu machen. Aus den 762 Gemeinden unter 1000 Einwohnern sollen — nach Stanglers Vorstellungen — Großgemeinden werden, wobei letzten Endes noch 70 Kleingemeinden übrigbleiben, weil ein Zusammenschluß mit anderen Gemeinden geographisch nicht möglich ist. Eine Gemeinde soll nämlich, auch bei einem Zusammenschluß, überschaubar bleiben, das heißt, daß von der äußersten Gemeindegrenze bis zum Zentrum die Entfernung maximal fünf Kilometer beträgt.
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