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Prinzipien oder Opportunität?
Die Diskussion um die Wahlrechtsreform in Österreich wurde nun um einen neuen Vorschlag bereichert. Dieser ist — wie leicht erkannt werden kann — das Ergebnis deutlich zutage getretener Realitäten hinsichtlich künftiger Wahlerwartungen der FPÖ und — wie manche wissen wollen — auch ein Ergebnis des Fleißes und Geschickes „junger Eierköpfe“ der SPÖ, vor allem des Zentralsekretärs Bundesrat Gratz und seines Nachfolgers als Klubsekretär, Dr. Fischer. Zugrunde liegt diesem Vorschlag das die SPÖ seit 1953 begreiflicherweise stark bewegende Streben, die Nationalrats-Wahlordnung in der Weise zu ändern, daß „auf die Parteien wenigstens annähernd so viele Mandate entfallen, als ihrem Anteil an der Wählerschaft entspricht. Es (soll) nicht mehr vorkommen können, daß die Partei mit der Stimmenmehrheit im Nationalrat als Minderheit auftreten muß.“ („AZ“ vom 21. Mai 1964.)
Tatsächlich mußte es die SPÖ erstmals im Jahre 1953 erleben, daß sie mit 1,818.517 Stimmen nur rund
44 Prozent der Mandate, die ÖVP aber mit 1,781.777 Stimmen rund
45 Prozent der Mandate im Nationalrat besetzen konnte. Dies wiederholte sich 1959, diesmal vom Statistischen Zentralamt genau ausgerechnet: Die ÖVP eroberte mit
44.2 Prozent der Stimmen 47,9 Prozent der Mandate, während die SPÖ für 44,8 Prozent der Stimmen nur
47.3 Prozent der Mandate erhielt. Neben diesem Grundanliegen der
größeren „Wahlgerechtigkeit“ hat der neue SPÖ-Vorschlag noch eine weitere Absicht: Wenn nämlich auf die Parteien auch zukünftig nur „annähernd so viele Mandate entfallen“, wie ihrem Anteil an der Wählerschaft entspräche, dann soll dieser Annäherungswert — wie könnte es anders sein — zugunsten und nicht zum Nachteil der SPÖ von der totalen Verhältnismäßigkeit abweichen! Hier beginnen neben den Prinzipien die opportunistischer Spielereien mit der Wahlarithmetik Um das zu verstehen, muß das vorgeschlagene Ermittlungsverfahrer etwas eingehender analysiert werden.
Der neue SPÖ-Vorschlag
Während der ursprüngliche SPÖ-Vorschlag die Erhöhung der Abgeordnetenzahl des Nationalrates aul 180 vorsah, kehrt der neue Vorschlaf auf 165 zu vergebende Mandate zurück. Ferner soll das Bundesgebie — wie bisher — in 25 Wahlkreiss und zwei (bisher vier) Wahlkreisverbände eingeteilt werden. Ähnlich dem geltenden Wahlrecht erfolgt die Mandatsverteilung in zwe Ermittlungsverfahren: Zunächs wird die Wahlzahl in den einzelner Wahlkreisen so errechnet, daß di< Zahl der gültigen Stimmen durcl die Zahl der zu vergebenden Mandate dividiert wird; da bisher di< Zahl der gültigen Stimmen durcl die um eins vermehrte Zahl der zu] Vergebung gelangenden Mandat(
dividiert wurde, hat der SPÖ-Vorschlag im ersten Ermittlungsverfahren zur Folge, daß einerseits die Wahlzahl in den einzelnen Wahlkreisen höher und dadurch die Erringung eines Grundmandates schwieriger wird, anderseits mehr Mandate zur Verteilung im zweiten Ermittlungsverfahren übrig bleiben. Das zweite Ermittlungsverfahren spielt sich in den Wahlkreisverbänden ab; nach dem neuen SPÖ-Vorschlag sollen die Bundesländer Wien und Niederösterreich den Wahlkreisverband I, alle übrigen Bundesländer den Wahlkreisverband II bilden. An der Vergebung der Mandate in diesem zweiten Ermittlungsverfahren sollen nur jene Parteien teilnehmen, die entweder — so wie bisher — im ersten Ermittlungsverfahren ein Grundmandat erhalten oder die in einem der beiden Wahlkreisverbände mehr als fünf Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen erreichen konnten.
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