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Zwei Züge
Wie zwei Züge, die in entgegengesetzter Richtung aneinander vorbeisausen, rollten am Sonntag die österreichischen Kommunalwahlen in Stadt und Land ab.
Der müde Train im Güterzugstempo waren die Wiener Gemeinderats- und Landtagswahlen. 85 Prozent Wahlbeteiligung, Stimmenrückgänge bei allen Parteien, gegenüber der Nationalratswahl im Frühjahr auch bei der „Siegerin“ FPOe, die zwar ohne Grundmandat, aber nach der neuen Wahlordnung noch durchs Hintertürchen mit 4 Restmandaten ins Haus huschte. Rund 200.000 Wähler sind zu Hause geblieben und haben unverdient bei der Mandatsvergebung mehr „mitgewählt", als sie vielleicht selbst wissen.
Sieht man von der Agonie ab, in der die Kommunistische Partei mit letztem Atem gerade noch die Hälfte ihrer einstigen 6 Mandate erreichte, so ist die eigentliche Verliererin in Wien die Oesterreichische Volkspartei, deren prozentueller Mandatsanteil (= Mandatszahl) um 2 auf 33 zurückfiel und damit der Partei den Anspruch auf den Posten des zweiten Vizebürgermeisters kostete. Die bittere Pille wird durch die Rückeroberung der Führung im neunten Wiener Gemeindebezirk kaum spürbar versüßt. Auch das „Alibi“, die Wahlmüdigkeit habe die öeVP stärker als die Gegner getroffen, kann die „Tat“ nicht entschuldigen oder gar verschleiern; es könnte bestenfalls di? Fehler der Partei erhellen und solcherart zu Besinnung und Umkehr beitragen.
Vielleicht gibt der „Schnellzug“ dazu einen Hinweis, der am gleichen Tag am Wiener Lastzug vorüberbrauste — und zwar in anderer Richtung: die Gemeindewahlen im Lande (nicht der Stadt) Salzburg und die Gemeinderats- Ergänzungswahlen in der Tiroler Hauptstadt.
In Salzburg hat sich die OeVP besser gehalten als allgemein erwartet. Ihr Stimmen- und Mandatsverlust war geringer als bei den Sozialisten, besonders der Ansturm der letzteren auf das „Dorf" ist überzeugend und eindrucksvoll abgewehrt worden. Der Stimmenauftrieb der FPOe kam auch in diesem Ausmaß nicht unerwartet. Am besten hat sich die OeVP dort durchgesetzt, wo die jüngere Generation zum Zuge kam. Das ist ein erster Hinweis darauf, woran es in Wien fehlt.
Noch überzeugender ist der Erfolg der OeVP in Innsbruck ausgefallen, wo sich fünf gekoppelte OeVP-Listen zu der klugen Parteiführung Oberhammers und der sachlichen Arbeitsleistung Bürgermeister Dr. Luggers bekannten: 3 neue Mandate und damit die absolute Mehrheit (52,5 Prozent der Mandate gegenüber früheren 45 Prozent) sind die Frucht einer emsigen Arbeit, die immer zugleich mit dem Parteiinteresse auch das Gemeinwohl im Auge hatte.
Es wird nun Aufgabe der OeVP in Wien sein, aus den beiden in die Augen springenden Divergenzen die Folgerungen zu ziehen. Im ersten Unmut über den Mißerfolg hat der Wiener Landesparteiobmann und OeVP-Vize- bürgermeister die Möglichkeit angedeutet, daß die OeVP in Wien allenfalls aus der Zusammenarbeit mit der Rathausmehrheit ausscheiden könne. Die Verärgerung des geschlagenen Feldherrn am „Abend nach der Schlacht" mag menschlich verständlich sein — im Lichte des harten, nüchternen Alltags wird die Sache wohl anders aussehen.
Die Einbuße der OeVP ist nicht weltbewegend gewesen. Der vergangene Sonntag hat keinen Erdrutsch gebracht. Auch an den festen Sitzen der Rathausmehrheit knabbert die Zeit.
So ist die Position der OeVP in Wien ganz und gar nicht hoffnungslos — wenn sie über den Denkzettel nicht den Kopf verliert, sondern sich an ihm aufrichtet, verjüngt und erneuert.
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