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Vorrang für den Menschen

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Der Grundgedanke von Schengen hat durchaus etwas Positives an sich: Die Europäer sollen sich frei in ihrer Gemeinschaft bewegen können. Aber „Europa mit seiner Freiheit der Person, mit seinen Menschenrechten, mit seinem individuellen Unternehmertum, mit seiner moralischen Ordnung und mit seiner Kultur kann nicht in einem Teil des Kontinents mit Festungsmauern rundherum verwirklicht werden” (Erzbischof Schönborn). Und so wird es dort problematisch, wo die Idee eines geeinten Europas dazu mißbraucht wird, aus einem Teil dieses Kontinents eine Festung wider die Menschlichkeit zu machen.

Ohne Zweifel ist es das Recht eines Landes, im Interesse seiner Bürgerin nen und Bürger eine rationale Einwanderungspolitik zu betreiben. Das heißt, Österreich hat vielleicht sogar die Pflicht, seine Grenzen nicht immer und für jeden zu öffnen. Und so kann und muß es wohl auch Grenzkontrollen an der eigenen Grenze • oder in abgestimmter Weise an einer der österreichischen Grenze vorgelagerten Außengrenze eines Länderzusammenschlusses geben.

In der konkreten Bewertung scheinen mir aber drei Aspekte entscheidend: Erstens muß gewährleistet sein, daß alle Menschen, die Schutz suchen, diesen Schutz auch erhalten können. Dazu bedarf es eines fairen und transparenten Verfahrens und eines fairen und transparenten Zugangs zu diesem Verfahren an den jeweiligen „Außenposten”. (Der vorliegende Entwurf zu einem neuen Asylgesetz garantiert dies nicht.) Zweitens müssen die Vorrangregeln stimmen. Konkret muß also der Mensch Vorrang haben vor bloßen Überlegungen und Kriterien wirtschaftlicher Nützlichkeit. Die „Idee Europa” wird nur dann in menschlicher Weise gelingen, wenn es zuerst um Gerechtigkeit und das Zusammenleben der Menschen geht und erst dann um den ungehinderten Verkehr von Gütern und von Geld. (Auch diesem Anliegen werden Recht und Vollzug in Österreich nicht gerecht.) Drittens aber gilt es dem Trugschluß vorzubeugen, daß durch das Errichten von Wällen und Zäunen Not ein für alle Mal ausgesperrt werden kann.

In der Geschichte dieser Welt ist noch jede Festung gefallen. Gerade ein Abkommen, daß der Sicherung der Freiheiten nach Innen dient, indem es die Kontrolle der Grenzen nach außen gewährleisten soll, muß daher begleitet werden von Maßnahmen, die Not und Ungerechtigkeit dort bekämpfen, wo sie entstehen. Denn nicht durch das Aussperren von Menschen lassen sich auf Dauer Sicherheit und Frieden erreichen, sondern nur durch eine konsequente Kultur des Miteinanders und der Verantwortung füreinander, das heißt des Teilens und der Partnerschaft als Bürger einer Welt.

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