Werbung
Werbung
Werbung

Richtungswahlen sind angesagt, aber nicht alle geben die geplante Richtung an.

Nicht die Beliebtheit von Herrn oder Frau Spitzenkandidat, sondern fast ausschließlich die Kompetenzzuweisungen in Sachfragen entscheiden einen Wahlausgang. Schon seit eh und je, heißt es, wird dieser Merksatz in der Politikwissenschaft gelehrt - und auch wenn die Wahlkampfinszenierungen da wie dort ein anderes Bild zu vermitteln versuchen, am Wahltag obsiegt dann meistens doch wieder diese ziemlich unspektakuläre, einfache Regel.

Göran Persson, Schwedens bisheriger und seit Sonntag neuerlich bestätigter Ministerpräsident, verdankt diesem Stehsatz seine eindrucksvolle Wiederwahl. Wie wurde Persson im Wahlkampf nicht beschimpft: eitel, eigensinnig, dominant im Auftreten, rustikal in der Erscheinung. Die Schweden mögen ihn nicht, war vielerorts zu lesen. Seine Landsleute nennen ihn einen "Karlson vom Dach" (der Besserwisser bei Astrid Lindgren), oder den "Macchiavelli aus Vingacker", oder "HSB", was "han som bestämmer" (der, der bestimmt) heißt. Und dieser Ungustl fährt dann einen fulminanten Wahlsieg für seine Sozialdemokraten ein und kann sich brüsten, den Rechtsruck in Europa gestoppt zu haben. Aber nicht Persson als Persson, sondern sein von einer Mehrheit geglaubtes Versprechen, den Wohlfahrtsstaat, das schwedische "Volksheim-Modell", unangetastet zu lassen, hat die Wählerinnen und Wähler überzeugt.

Hoffnung für den Ungustl

Ein Hoffnungszeichen für den Ungustl im deutschen Rennen um die Kanzlerschaft. Nicht Sympathie, Problemlösungskapazität lautet die Formel zum Erfolg. Kompetenzzuschreibung ist es auch, worauf Edmund Stoiber im Wahlkampf gesetzt hat. Die Beschwörung der Misere von vier Millionen Arbeitslosen sollte reichen, um den regierenden Kanzler als Versager abzustempeln und den bayerischen "Laptop und Lederhose"-Macher an die Spitze zu bringen. Doch irgendwo zwischen den Hochwasserfluten und der Angst vor einem Krieg im Irak ist Stoibers Wirtschaftskompetenz ins Hintertreffen geraten. Und je mehr das Ringen um die Gestaltung der wirtschaftlichen Kernbereiche des Staates außer Acht geraten ist, desto mehr wurde die anstehende Wahl zur Richtungswahl hochstilisiert.

Wer oder was früher gewählt wurde, wenn erst diese Wahl eine Richtungswahl ist, bleibt unbeantwortet. Der Begriff selber hinterlässt Ratlosigkeit und ist ungefähr so aufschlussreich wie die Rede vom weißen Schimmel oder vom vierbeinigen Pferd. Ernster, bedrohlicher klingt Richtungswahl aber allemal, und das wird wohl auch der Hauptgrund für die Beschwörung dieses Ausdrucks im Wahlkampffinale sein. Der unklare Begriff bringt für die Parteien aber den Riesenvorteil mit sich, dass sie da hineinpacken können, was sie wollen. Stimmungen und Gefühle, positive wie negative, treten mehr in den Vordergrund; das Pochen auf Fakten und Zahlen wird zweitrangig. So oft sonst bei jeder Gelegenheit beteuert wird, dass das alte politische Links-Rechts Schema heute, in dieser ach so vielschichtigen Welt, zu kurz greift und keine Bedeutung mehr hat - wenn's um die Wurst geht, ist traditionelles Lagerdenken angesagt.

Vorher wissen, wer mit wem

Einen Vorteil hat diese proklamierte Richtungswahl in Deutschland aber unbestritten. Die Wählerinnen und Wähler wissen vorher ein entscheidendes bisschen mehr als anderswo, woran sie nachher sind. Die gemeinsamen Wahlkampfveranstaltungen von Rot-Grün sind in diesem Sinne auch vollauf zu begrüßen. Denn wer am kommenden Sonntag Gerhard Schröder oder Joschka Fischer wählt, weiß, dass am Montag - wenn es sich ausgeht - Schröder und Fischer wieder die Regierung stellen werden.

Dass am Ende immer noch alles anders kommen kann, man eventuell aus Mangel an Alternativen sogar eine große Koalition bildet, steht auf einem anderen Blatt. Sich aber vorher festzulegen, mit denen würde ich nachher am liebsten, ist mutig und hilfreich zugleich. Bei Schwarz-Gelb war das ja bis vor kurzem genauso klar, auch wenn Stoiber niemals offiziell ins liberale "Guidomobil" eingestiegen ist. Doch je weniger Stimmen Westerwelle & Co in den Umfragen vorausgesagt werden, desto mehr beginnt die FDP wieder zwischen den Fronten zu lavieren, mit dieser oder jener Koalitionszusage zu taktieren.

Ein Spielchen, das hier zu Lande bestens bekannt ist und seit der Neuwahlankündigung wieder fröhliche Urständ feiert. Nur keine - bis auf die eine - Option ausschließen, heißt es in der SPÖ. Nur niemanden ausgrenzen, in der Hoffnung, dass wir dann auch nicht außen vor gelassen werden, meint die ÖVP. Bei der FPÖ muss noch ein Parteiobmann gefunden werden, bevor man sich auf die Suche nach einem Partner macht. Und die Grünen würden zwar gern mit Rot, aber "ihre Seele verkaufen" sie jetzt auch noch nicht.

Dafür werden die Wählerinnen und Wähler aus Taktik systematisch für dumm verkauft. Um einige mit einer definitiven ("wenn so, dann so!") Ansage nicht zu verprellen, scheut man jegliche Festlegung und lässt die breite Masse im Dunkeln tappen. Schlussendlich, schaut's aus, ist dann doch immer wieder jede Konstellation möglich. Und wenn's gar nicht anders geht, muss halt eine Spitzenposition anders besetzt werden. Das zeugt nicht unbedingt für eine konsequente inhaltliche und programmatische Ausrichtung der Parteien. Auf diese käme es aber an - wie die Wahlen Schweden erneut bewiesen haben.

wolfgang.machreich@furche.at

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung