Handbuch für Migranten

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Eine neue Broschüre dient als Stadtführer für Menschen, die vorhaben, in Wien zu bleiben - auch wenn sie keinen Aufenthaltstitel haben. Ein Gespräch mit den Autoren.

Wo kann man günstig einkaufen oder gratis Deutsch lernen? Wo treffen sich Leute? Wo findet man Hilfe? Antworten auf diese Fragen finden Asylsuchende und Migranten in der "Bleibeführer_in“. Die Autoren sind selbst Migranten. Im FURCHE-Gespräch geben Clifford Erinmwionghae aus Nigeria und Hansel Sato aus Chile einen Einblick in das Leben von Illegalen.

Die Furche: Was war Ihre Motivation, bei der Broschüre mitzuarbeiten?

Clifford Erinmwionghae: Migranten erhalten oft falsche Informationen, wenn sie mit Privatleuten sprechen. Die wissen nämlich oft nicht darüber Bescheid, welche Angebote es für Migranten gibt. Diese Führer_in gibt einen Überblick, sie ist wie ein Reiseführer.

Hansel Sato: Als ich nach Österreich gekommen bin, hätte ich mir gewünscht, all diese Informationen zu haben. Ich glaube, dass sie auch für viele Österreicher interessant sind.

Erinmwionghae: Wenn ich sie früher gehabt hätte, wäre ich jetzt wahrscheinlich auf der Uni.

Die Furche: Hätten Österreicher die Broschüre geschrieben: Welche Informationen würden dann fehlen?

Erinmwionghae: Wenn sie gut recherchieren, mit den richtigen Leuten sprechen, wird nichts fehlen. Es gibt viele Österreicher, die ganz tolle Arbeit machen, um Migranten zu unterstützen. Oft glaubt man, dass es für mich leichter ist, Personen anzusprechen, weil ich schwarz bin. Doch Asylwerber haben vor jedem Angst, auch vor mir.

Die Furche: Was hat diese Angst für Folgen?

Erinmwionghae: Illegale, aber auch Asylwerber gehen kaum hinaus, gerade einmal, um einkaufen zu gehen, oder, wenn sie unbedingt müssen, um etwas zu erledigen. Ansonsten bleiben sie zu Hause, weil sie Angst haben, kontrolliert und dann abgeschoben zu werden. Es ist faszinierend, wie es manche schaffen, dass sie nicht kontrolliert werden. Es scheint etwas mit dem Auftreten zu tun haben, offenbar muss man da etwas ganz Besonderes lernen, damit man einem nicht ansieht, dass man illegal ist.

Die Furche: Wie verbringt man seine Tage, wenn man immer zu Hause ist?

Erinmwionghae: Man hält sich an dem Gedanken fest, dass man lieber jetzt zu Hause bleibt, um eines Tages einen legalen Aufenthaltsstatus zu haben. Das macht es erträglicher. Aber es ist schwierig.

Die Furche: Wie muss man sich das Leben von Illegalen vorstellen?

Erinmwionghae: Das hat viele Facetten. Es ist schwierig, weil man auf einmal mit Menschen zusammenleben muss, die man bis dahin nicht kannte. Sie haben unterschiedliche Charaktere, manchen von ihnen ist es völlig egal, wie sie leben. Man muss schon sehr viel Geduld haben, um das lang auszuhalten. Dann ist es sehr schwierig, überhaupt eine Wohnung zu finden.

Die Furche: In der Bleibeführer_in gibt es Tipps, wie man sich richtig verhalten sollte, zum Beispiel, dass man immer einen Fahrschein kaufen soll. Sollte man das nicht sowieso?

Erinmwionghae: Natürlich und die meisten tun das auch. Aber manche gehen das Risiko ein, weil sie einfach zu wenig Geld haben. 15 Prozent der Abschiebungen fangen so an, dass jemand keinen Fahrschein hatte. Ein anderer Grund ist das Telefonieren von einer Telefonzelle aus.

Sato: Wir hatten die Idee, U-Bahn-Stationen aufzuzählen, in denen oft kontrolliert wird. Clifford hat dann mit einer Liste begonnen, die sehr schnell ziemlich lang geworden ist. Es waren ungefähr 30 Stationen. Wir haben uns dann dagegen entschieden, sie hineinzugeben, weil wir keine "No Go Areas“ schaffen wollen.

Die Furche: Welchen Ratschlag würden Sie sonst geben?

Erinmwionghae: Niemandem glauben, der erklärt, dass man sowieso keine Chance hat. Das ist einfach nicht wahr. Auch die Gesetze ändern sich, einerseits werden sie schärfer, aber es gibt auch Verbesserungen: Vor 2005 hat noch niemand vom Bleiberecht gesprochen, jetzt haben wir es. Außerdem sollte man sich darum kümmern, Deutsch zu lernen. Ich selbst habe damit leider viel zu spät begonnen.

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