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Reform als Auftrag

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WAHRHAFTIGKEIT. Von Hans K ü n g. Zur Zukunft der Kirche. Kleine ökumenische Schriften. Verlag Herder, Freiburg-Basel Wien 1968, Preis DM 12.80.

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WAHRHAFTIGKEIT. Von Hans K ü n g. Zur Zukunft der Kirche. Kleine ökumenische Schriften. Verlag Herder, Freiburg-Basel Wien 1968, Preis DM 12.80.

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Der Verfasser des vorliegenden Buches, der Tübinger Theologe Prof. Dr. Hans K ü n g, hat durch seine Publikationen schon öfters Aufsehen erregt, nicht zuletzt deswegen, weil er anstehende Probleme im rechten Zeitpunkt aufzugreifen und klär und pointiert, auch für den nichttheologischen Leser verständlich darzustellen vermag. Zu einem Zeitpunkt, da die Kirche bzw. die Hierarchie in ihrer Lehrautorität durch Enzykliken, Verbote und Mo- nitorien unglaubwürdiger und un- wahrhaftiger zu werden droht als je zuvor und in dem das Wahrhaftigkeitsbewußtsein der Menschen und auch der Katholiken geschärfter und kritischer geworden ist, veröffentlicht H. Küng eine Schrift zu diesem Thema. Man kann sich auch schon hier ausrechnen, daß sie nicht überall mit Begeisterung aufgenommen werden wird. In der „Wahrhaftigkeit“ sieht Küng eine neue „Tugend“, an der sich die Kirche heute und in Zukunft orientieren muß, will sie nicht ihren eigenen, vom Evangelium Jesu Christi her stammenden Auftrag verfehlen. Deutlich zeigt der Verfasser auf, wo die Kirche heute unwahrhaftig ist: in ihrer moral theologischen Verkündigung, im ungeschichtlichen Denken der Theologie, in der Exegese, in der Ökumene, in der kirchlichen Presse, in der Priesterbildung u. a. m. Daß die Publikation keine systematisch konzipierte Schrift, sondern eine Sammlung ver schiedener Vorträge, Aufsätze und Stellungnahmen unter diesem Blickwinkel der „Wahrhaftigkeit“ ist, mindert ihren Wert nicht. Wohl findet man keine ausführliche und ausgewogene Analyse, Beschreibung und Definition dessen, was „Wahrhaftigkeit“ ist. Darin liegt und lag nie die Stärke von Küngs Schriften. Aber an sehr vielen Beispielen, an den engagierten Stellungnahmen, etwa zum Kirchenaustritt des englischen Theologen Charles Davis, an dem, was im Abschnitt „Wahrhaftigkeit in praktischer Reform“ steht, sieht man trotzdem deutlich, was Küng unter Wahrhaftigkeit versteht: Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit gegenüber den Schwierigkeiten des heutigen Menschen, gegenüber den Fragen der modernen Welt, kritische Sichtung der eigenen Geschichte innerhalb von Theologie und Kirche, Bekenntnis zur Vorläufigkeit und zur Anspruchslosigkeit, zum Dienst und zum Schuldbewußtsein.

Das Buch von H. Küng bringt in vielen Einzelheiten nichts Neues. Aber der Blickwinkel, unter dem diese Einzelheiten zusammengefaßt sind, und das Engagement, mit dem für die konkrete (katholische) Kirche eingetreten wird, aber in einer Art und Weise, die weit über das hinausgeht, was man traditionell unter „katholisch“ versteht, machen das Buch zu einem Zeichen der nachkonziliaren Zeit in der Kirche: zu einem Zeichen dafür, auf welchem Weg die notwendige postkonziliare Erneuerung weiter und mutiger als bisher, eben „wahrhaftiger“, voranschreiten muß.

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