Zum Tod von Hans Küng
DISKURSHans Küng - mehr als ein Kirchenrebell: Gottes Übersetzer in diese Welt
Er war weit mehr als ein „Kirchenrebell“. Als Theologe, aber auch als Vorreiter des interreligiösen Dialogs und einer ethischen Weltpolitik hinterlässt er viel. Seine – erst im Herbst 2020 abgeschlossene – Werkausgabe umfasst 24 Bände. Nun ist Hans Küng 93-jährig verstorben.
Er war weit mehr als ein „Kirchenrebell“. Als Theologe, aber auch als Vorreiter des interreligiösen Dialogs und einer ethischen Weltpolitik hinterlässt er viel. Seine – erst im Herbst 2020 abgeschlossene – Werkausgabe umfasst 24 Bände. Nun ist Hans Küng 93-jährig verstorben.
Ich segle hart am Wind der Zeit. Theologie für die Menschen war mein Weg. Oft zitierte ich den Titelsong eines frühen Films von Bing Crosby, der einen jungen, nicht ganz angepassten Vikar verkörperte: „Going my way“. Deutlicher denn je kann ich mein Spero bekräftigen, das in meinem christlichen Credo gründet: Ich hoffe auf eine Einheit der Kirchen. Ich hoffe auf Frieden unter den Religionen. Ich hoffe auf eine wahre Gemeinschaft der Nationen.
Prägnanter als dieser Satz aus dem FURCHE-Interview zu seinem 70er im Jahr 1998 ist die Vision des Hans Küng kaum zusammenzufassen. Und es ist gewiss Zufall, dass wenige Tage nach der gleichaltrigen „Kirchenrebellin“ Uta Ranke-Heinemann nun Hans Küng 93-jährig verstorben ist. Kein Zufall gewiss, dass Ranke-Heinemann vom heutigen Bischof von Essen – einer seiner Vorgänger hatte ihr die Lehrbefugnis entzogen – gewürdigt wurde, sie habe aus einer kritischen und später distanzierten Haltung „die Kirche begleitet, betrachtet und beurteilt“.
Streitbar um der Kirche willen
Ebenso kein Zufall, dass Gebhard Fürst, als Bischof von Rottenburg-Stuttgart auch er ein Nachfolger jenes Bischofs Georg Moser, der den Entzug der Lehrbefugnis für Küng exekutiert hatte, sich analog würdigend zu Wort meldete: Fürst attestierte Küng „essenzielle theologische Grundlagenarbeit und bedeutende Anstöße“, er sei über Jahrzehnte hinweg „ein kritischer, aber großer Theologe“ gewesen. Dem „streitbaren Geist“ seien die katholische Kirche und ihre Zeitgenossenschaft ein wichtiges Anliegen gewesen, so Fürst.
Solche Wortmeldung ist mehr als der fromme Brauch, Tote vor allem Licht ihrer Verdienste zu betrachten. Sondern es zeigt sich hier, dass die „Schlachtrösser“ der innerkirchlichen Auseinandersetzung auch für die in der Hierarchie Verantwortlichen längst als wichtige und fruchtbare, ja sogar nötige theologische Impulsgeber gelten.
Dass Hans Küng da als ganz Großer im Aufbruch der katholischen Kirche beim II. Vatikanischen Konzil und der darauf folgenden Weiterentwicklungen gelten muss, bleibt unbestreitbar. Und dass das konsequente Fortdenken der Erneuerungsschritte, die auf dem Konzil erstmals zum Durchbruch kamen, in den Jahren danach, als jedes Vorwärtsstürmen mehr und mehr verlangsamt wurde, zu Konflikten führen musste, erscheint aus der Perspektive eines halben Jahrhunderts später beinahe zwangsläufig. Hans Küng selbst agierte dabei konfliktfreudig: Das mag man dem Theo logen aus einer konfliktdiplomatischen Perspektive ankreiden. In der Sache ging es aber um eine Auseinandersetzung, der sich die katholische Kirche nicht entziehen konnte – und durfte. Und die bis heute weiter schwelt, wenn auch im Pontifikat von Franziskus offener darüber geredet wird und auch alte Wunden doch langsam heilen.
Der 1928 im Schweizer Sursee/Luzern geborene Küng war auf dem Konzil einer der beiden deutschsprachigen Shootingstars. Der andere war ein fast gleichaltriger Theologe namens Joseph Ratzinger. Während Letzterer vom Naturell als bedächtiger Denker firmierte, galt Küng als pointiert formulierender, die Öffentlichkeit suchender Theologe. Schon 1960, mit 32 Jahren, wurde er Professor in Tübingen, das ihm zur endgültigen Heimat werden sollte. Der Rottenburger Bischof Carl Joseph Leiprecht nahm ihn als Konzilstheologen nach Rom mit. In Tübingen wie in Rom suchte Küng innerkirchlich kontroverse Themen weiterzubringen, etwa die Abschaffung des Pflichtzölibats für Priester, die Gleichberechtigung der Frau in der Kirche sowie die ökumenische Bewegung. Sein Buch dazu, „Konzil und Wiedervereinigung“, das er schon 1960, also drei Jahre vor Konzilsbeginn herausbrachte, plädierte für eine großzügige Ökumene.
Küng und Ratzinger – die Antagonisten
Es war die Anregung Küngs, dass der andere Shootingstar, Joseph Ratzinger, auf den zweiten Dogmatik-Lehrstuhl in Tübingen berufen wurde. Allerdings verließ Ratzinger zwei Jahre später diese Uni angesichts der Studentenproteste 1968 und ging nach Regensburg. Fortan profilierte sich Küng als Kirchenkritiker, während Ratzinger eine konservative Kehrtwende vollzog und dann Erzbischof von München und später Chef der Glaubenskongregation sowie schließlich als Benedikt XVI. Papst wurde.
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