Hans Küng - © wikimedia

Hans Küng: Ein Kontrapunkt der Hoffnung

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Anläßlich seines 70. Geburtstages sprach die FURCHE mit Hans Küng über sein Projekt, die Religionen der Welt zu gemeinsamer Perspektive zu ermuntern.

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Anläßlich seines 70. Geburtstages sprach die FURCHE mit Hans Küng über sein Projekt, die Religionen der Welt zu gemeinsamer Perspektive zu ermuntern.

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DIE FURCHE: Will die "Erklärung zum Weltethos" eine neue Moral erfinden, um sie dann den verschiedenen Religionen von außen her aufzudrängen?

Hans Küng: Die Erklärung will bewußt machen, was schon jetzt den Religionen gemeinsam ist, aber durch zahlreiche dogmatische Streitigkeiten oft genug verdunkelt wird; sie will jenes Minimum an Ethos herausstellen, das für das Überleben der Menschheit notwendig ist. Sie ist gegen niemanden gerichtet, sondern lädt alle ein - Gläubige und Nichtgläubige - sich dieses Ethos zu eigen zu machen. Diese Erklärung ist ein Kontrapunkt der Hoffnung. Ein Kontrapunkt gegen den Fatalismus. Mit der Erklärung haben Menschen aus allen möglichen religiösen und ethischen Traditionen ihre Bereitschaft zum Ausdruck gebracht, aus religiöser Überzeugung diese Erde zu verändern.

DIE FURCHE: Die Welt geht durch Krisen der Wirtschaft, der Ökologie, der Politik. Man beklagt die Abwesenheit einer großen Vision, die politische Lähmung, nur mittelmäßige politische Führung. Wie soll da das Weltethos konkretisiert werden?

Küng: Konkretisierung des Weltethos darf nicht nur ein dünnes Minimum, auch nicht ein dichtes Maximum an Ethos bieten wollen, sondern muß auch für wirtschaftliche und politische Ebenen Relevanz haben und die Bemühungen um gerechte Wirtschafts-, Sozial- und Umweltordnungen unterstützen. Dabei wären drei Sackgassen von vornherein zu vermeiden: Eine Verdoppelung der Menschenrechtserklärung: Ethos ist mehr als Recht, ethische Pflichten sind mehr als nur rechtliche Pflichten.
Eine kasuistische Moralpredigt: Die Konkretisierung soll sich nicht scheuen, unbequeme Wahrheiten und Forderungen - etwa die Ehrfurcht vor allem Leben - deutlich auszusprechen. Wenn dabei in der Art bestimmter Religionsverbote aber nur mit erhobenem Zeigefinger gemahnt würde, so würde das bei vielen heute berechtigterweise auf Abwehr stoßen.

Gewiß kann eine Konkretisierung gerade von religiös motivierten Menschen vorgenommen werden, die überzeugt sind, daß die vorfindliche empirische Welt nicht die letzte "absolute" geistige Wirklichkeit ist. Aber wenn dabei einfach kosmisches Bewußtsein, globale Harmonie, universale Einheit, allumfassende Liebe, eine spirituelle Vision einer besseren Welt beschworen würden, wenn nur die "Mutter Erde" hymnisch gepriesen und dabei die Wirklichkeit der gegenwärtigen hochkomplexen Industriegesellschaft nicht genügend ernstgenommen wird, so fällt eine solche Konkretisierung wirklichkeitsfremd aus.

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