Wald Wachstum - © Pixabay

Vom Heilsversprechen zur Zukunftsgeissel

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Zwei Bücher mit unterschiedlichen Ansätzen zum Wachstum kommen zum Schluss: Wir sind gefangen in einem System, dessen Reform Schmerzen verursachen wird.

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Zwei Bücher mit unterschiedlichen Ansätzen zum Wachstum kommen zum Schluss: Wir sind gefangen in einem System, dessen Reform Schmerzen verursachen wird.

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Wenn die Zeit der Kongresse be­ginnt, auf denen das Gute und Schöne im Menschen hervorgekehrt wird, dann ist viel von Nachhaltigkeit, vom Klimaschutz, von Postwachstum, von Suffizienz, von „Degrowth“ die Rede, Bücher bekannter alternativer Ökonomen werden gereicht zusammen mit Listen von „wachstumsneutralen Unternehmen“. Das sind jene guten, die keinen Gewinn anstreben, die nicht wachsen wollen und bei denen Wachstum von Gewinn, Unternehmensgröße oder Umsatz kein Ziel ist. In einer deutschen Studie aus dem Jahr 2013 findet sich darunter das Waldviertler Schuhmacherunternehmen GEA, das als eines der nachhaltigsten Österreichs gilt. Aber wächst GEA nicht?

In einem Zeitungsbericht aus dem Jahr 2016 sagt Schuhfabrikant Heini Staudinger Folgendes: „Wir machen jetzt 31 Millionen Euro Umsatz. Bevor die Lehman Brothers in Konkurs gegangen sind, waren es keine zehn Millionen.“ Der Gewinn sei im Vorjahr bei etwa einer knappen Million Euro vor Steuern gelegen. „Die letzte negative Bilanz haben wir 1997 gehabt.“ Staudinger ist also zu gratulieren. Aber Null-Wachstum sieht anders aus.

Der Zwang und seine Mittel

Der Schweizer Ökonom Mathias Binswanger hat in seinem neuen Werk weitere angeblich neutrale Unternehmen geprüft, das Ergebnis war ernüchternd: Nur wenige Unternehmen verdienen die Bezeichnung tatsächlich und auch unter diesen kann nur ein geringer Teil erfolgreich wirtschaften. „Mehr als eine Milderung des Wachstumszwangs kann man nicht erreichen“, so Binswanger.

Er hat sich auf die Spur des Wachstums gesetzt und zeigt auf knapp 300 Seiten, wie tief ein jeder Unternehmer, und ein jeder Mensch, ober er das nun will oder nicht, einem Wirtschaftssystem unterworfen ist, das wachsen muss, um zu überleben, und das ohne Gewinn/Wachstum in eine Abwärtsspirale gerät, aus der es kaum ein Entrinnen gibt, siehe die Griechenlandkrise.

Sehr anschaulich wird da gezeigt, wie die klassische Ökonomie die wichtigsten Wachstumstreiber größtenteils aus ihren Gleichungen ausgelassen hat – das Geld, den Kredit und die Gewinnerwartung. Ein nicht unähnlicher Fehler scheint aber nun auch den Wachstumskritikern zu unterlaufen. Denn jeder Wirtschaftsprozess, der im kapitalistischen Konzept von Bedeutung ist (also nicht Tauschwirtschaft), ist nach Wachstum und Wachstumserwartung ausgerichtet. Ohne diese beiden brechen auch die Investitionen zusammen, das wirkt sich auf die Modernisierung, die Wettbewerbsfähigkeit und die Arbeitsplätze aus.

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