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Wiener Luft

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Das Verkehrsprobiem Nummer eins ist in der Wiener Innenstadt heute nicht mehr die rein mechanische Verstopfung der Verkehrswege, sondern die daraus resultierende Vergiftung der Luft durch Verbrennungsrückstände. Eines bedingt das andere. Gelingt es, den Verkehr flüssig zu gestalten, dann bedeutet dies auch gleichzeitig eine geringere Verpestung der Luft. Es ist klar, daß durch eine Unzahl von Kraftfahrzeugen, die minutenlang mit laufendem Motor an ringsum verbauten Kreuzungen stehen, eine unwahrscheinliche Bereicherung der Atemluft an Kohlenoxyd gegeben ist. Die Witterung mag hier ebenfalls eine Rolle spielen. Man kann hier den Einwand erheben, daß fahrende Kraftfahrzeuge ebenfalls solche giftige Abgase“ aufweisen wie stehende. Dies ist jedoch nur bedingt richtig, denn bei einem stehenden Kraftfahrzeug können sich die Abgase in Ruhe ausbreiten, und es entstehen richtige Konzentrate, während bei fahrenden Kraftfahrzeugen der Sog, der automatisch am Ende eines Fahrzeuges gegeben ist, für eine Durchwirbelung sorgt und damit eine Konzentrierung unmöglich macht. Die von fahrenden Kraftfahrzeugen verursachte Luftströmung vermindert demnach eine Gefährdung sämtlicher Verkehrsteilnehmer, seien es nun Fußgänger, Zweiradfahrer oder Kraftfahrer, wesentlich. Die Forderung nach einem flüssigen Verkehr muß daher jetzt mehr denn je erhoben werden. Die ideale Lösung für stark frequentierte Kreuzungen stellt zweifellos die Unterführung in einer der Verkehrsrichtungen dar, ist jedoch leider besonders im Inneren der Stadt fast undurchführbar. Trotzdem müßte es zum Beispiel am Ring möglich sein, mit einer Grünwelle, einer Einrichtung, mit der man im Ausland schon sehr gute Erfahrungen machen konnte, zumindest einen gewissen Teilerfolg zu erzielen. Strenge Maßnahmen gegen all jene Kraftfahrer, deren Maschinen schlecht eingestellt sind, wäre eine zweite recht wirksame Bekämpfung allzureichlichen Auspuffes giftiger Verbrennungsrückstände. Am naheliegendsten wären natürlich Entgiftungsanlagen an den Kraftfahrzeugen selbst.

Die beste Lösung, den Verkehr flüssiger zu gestalten, wäre natürlich zumindest in den am stärksten befahrenen Straßenzügen, wie etwa am Ring, Mariahilf er bzw. Babenbergerstraße usw., die Straßenbahn gegen Oberleitungsbusse auszutauschen, wodurch vor allem fast eine Verdoppelung der Fahrbahnbreite erreicht werden könnte. Zugegeben, es ist dies ein Frojekt, das mit relativ hohen Geldmitteln verbunden ist, jedoch, was andere Großstädte fertigbringen, müßte wenigstens zum Teil auch in Wien möglich sein, namentlich dann, wenn es sich um die Gesundheit vieler tausender Menschen handelt.

Wie giftig die Verbrennungsrückstände eines Benzinmotors sind, ist nicht allgemein bekannt. Das färb- und geruchlose Kohlenoxydgas ist so gefährlich, daß nur 0,3 Prozent in der Atemluft bereits nach 30 Minuten tödlich wirken können. 0,03 Prozent, also ein Zehntel davon, können noch immer Gefahren mit sich bringen. Nur wenn weniger als 0,01 Prozent in der Atemluft vorhanden ist, kann man im allgemeinen von Ungefährlichkeit sprechen. Wenn man sich nun überlegt, welche Mengen Kohlenoxydgase von einer Anzahl an Kraftfahrzeugen, wie sie des öfteren an Kreuzungen warten, erzeugt werden, dann kann man sich vorstellen, wie schädlich dies für die Gesundheit aller Verkehrsteilnehmer ist. Der Umstand, daß diese Abgase sowohl vom Otto- als auch vom Dieselmotor nach Aussagen von medizinischer Seite krebsfördernd sind, läßt dieses Problem noch dringlicher erscheinen. Es müßte also alles geschehen, um diese Gefahr, die sich uns noch weit unangenehmer darstellt als die allgemeine Verkehrsmisere selbst, ehestens zu beseitigen. In der Großstadt lebt man sowieso ungesund genug. Jede Giftquelle sollte daher mit allen Mitteln auf das geringste Maß beschränkt werden.

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