6712043-1964_25_09.jpg
Digital In Arbeit

Reine Luft wird modern . . .

Werbung
Werbung
Werbung

Einer der bemerkenswertesten Paragraphen des Reinluftgesetzes ist jener, der eine Reihe von Brennstoffen anführt, deren Verwendung nicht zur Bildung von Rauchnebel führt und die, was besonders wichtig ist, oft billiger sind als die stark rauchenden Brennstoffe. Rauchnebel bedeutet auch materiellen Verlust: er ist das untrügliche Zeichen unvollkommener Verbrennung. Ein schlecht rauchender Schor.ni.tein verpufft 20 Prozent dß^.Wertesdiesrfir*-wendeten Brennstoffes.

Jedes Land, jeder Landstrich, jede Stadt hat seine, beziehungsweise ihre besonderen Luft- und Rauchprobleme. In Amerika sind Los Angeles und Pittsburg für ihre erfolgreichen Rauchbekämpfungsmaßnahmen bekannt. In Pittsburg, zum Beispiel, war es noch vor einigen Jahren üblich, zum Abendessen nicht ohne ein Reservehemd auszugehen, das man dann im letzten Moment vor Betreten des Speisesaales anzog. Eine einfache Durchquerung der Stadt genügte, um sowohl den Kragen als auch die Manschetten gründlich zu schwärzen. In Los Angeles ist Rauchnebel bedauerlicherweise ebenso bekannt wie in London, nur wird er dort durch andere Gegeben-heitej HlMÄ3fcWsacht. Hier ist er das Ergebnis von 2000 Tonnen von Auspuffgasen und von 450 Tonnen Stickoxyd, welche die 3,100.000 Kraftfahrzeuge der Stadt täglich erzeugen. Der so entstehende künstliche Rauchnebel ist nicht nur eine schwere Bedrohung der öffentlichen Gesundheit und der Vegetation, er ist auch die Ursache vieler katastrophaler Unfälle, denn er macht die der Kraftfahrzeuge brüchig und behindert die Sioht.

Es ist keineswegs paradox, daß die Städte und Gebiete, die am meisten unter Luftverseuchung zu leiden hatten, heute gerade jene sind, in denen gute, reine Luft nun wieder

Iii ,ainr-!s;')Biw i. „modern“ ist. In Großbritannien sind es jene „schwarzen Gegenden“, in denen das Reinluftgesetz am schärfsten angewendet wird. In den Vereinigten Staaten von Amerika haben Los Angeles und Pittsburg Gesetze angenommen, die zu den auf diesem Gebiete fortschrittlichsten der ganzen Welt gehören. Obwohl die früher „schwarzen“ Gebiete nun sauberer werden, verschlechtert sich die Lage in vielen anderen Gegenden, und darin liegt gegenwärtig die große Gefahr.

Was soll also geschehen? Wie dem Übel begegnen, wie es bekämpfen? Das Problem „reine Luft“ ist eines, das gelöst werden kann, wenn man dazu ernsthaft entschlossen ist. Es kostet viel Geld. Luftreinigung ist im Augenblick eher ein finanzielles als ein technisches Problem. Es gibt verschiedene Arten, verschiedene Grade der Luftverseuchung. -I* gewissen Gegenden wäre es heute schon möglich, eine gesündere Atmosphäre zu schaffen, mit verhältnismäßig bescheidenen Mitteln. Es wäre auch durchaus möglich, mit einer solchen Aktion auf die Dauer die Kosten einzutreiben, ja selbst einen finanziellen Uberschuß zu erzielen. Im großen und ganzen jedoch werden in der Mehrzahl der europäischen Länder in diesem Zusammenhang astronomische Verlustzahlen genannt. Hier einige der Ursachen:

1. Verlorene Arbeitstage wegen Krankheit und chronischer Leiden, die durch die Luftverschmutzung entstehen, wie zum Beispiel Bronchitis und Lungenkrebs.

2. Ärztliche und pharmazeutische Kosten.

3. Verluste durch schlechte Ernten oder, was öfter vorkommt, verminderte Agrarproduktion, die sich zwangsläufig aus verschlechterter Qualität des Pflanzen- und Viehbestandes ergibt.

4. Verfall von Bauten verschiedenster Art; verschmutzte Luft greift gnadenlos Steine und Metalle an. Zinkdächer zum Beispiel, die in gewissen Gegenden statt dreißig Jahre nur vier, höchstens fünf Jahre dem Schmutz standhalten, Brücken, die zunehmend zerstört werden, vom Schmutz angefressene historische Denkmäler, Risse in Ölgemälden, Korrosion und Verfall der Wohnhäuser.

5. Zerstörung der Kleidung. Wissenschaftlich erwiesene Schäden, denen Textilien aller Art durch Luftverschmutzung ausgesetzt sind. In den Städten müssen Stoffe doppelt so oft als auf dem Lande gereinigt werden, ihre Lebensdauer wird daher ums Zwanzigfache verkürzt. Dazu kommt der Zeitverlust, den Reinigungsarbeiten aller Art verursachen.

Die Liste ist keineswegs vollständig. Es sind bloß einige bezeichnende Beispiele angeführt. Schon im Jahre 1954 haben die Engländer in ihrem „Beaver Report“ die jährlichen Kosten der Luftverschmutzung in Großbritannien approximativ errechnet und kamen zu interessanten Schlußfolgerungen: Die Gesamtsumme der Kosten der Luftverschmutzung in Großbritannien wird, nach vorsichtiger Kalkulation, auf 250 Millionen Pfund Sterling, etwa 1800 Millionen Schilling, geschätzt.

Der „Beaver Report“ schließt mit der Feststellung, daß im Hinblick auf diese gigantischen Verluste,- Jede Aktion zur Vorbeugung der Luftverschmutzung letztlich einen wirtschaftlichen Gewinn abwirft. Hier begegnet das Argument Gesundheit lern Argument der Wirtschaftlichkeit. Demnach ist die Luftreinigung jine glänzende Kapitalsanlage.

Verseuchte Luft kennt keine Grenzen — aber auch reine Luft nicht.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung