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Appell an die Vernunft

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WIRTSCHAFTSFIBEL. LEICHTE LEKTIONEN UBER SCHWIERIGE THEMEN (Ausgabe für Österreich). Paperback, 200 Seiten. S 62. — .

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WIRTSCHAFTSFIBEL. LEICHTE LEKTIONEN UBER SCHWIERIGE THEMEN (Ausgabe für Österreich). Paperback, 200 Seiten. S 62. — .

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Die Abneigung des Österreichers gegen eine systematische Bildung in Fragen der Wirtschaftstheorie, noch mehr aber in der (theoretischen) Wirtschaftspolitik, hängt unter anderem damit zusammen, daß die jungen Menschen, wenn sie nicht an eine Fachhochschule gehen, kaum etwas von Fragen der Wirtschaft erfahren (ausgenommen an Berufsbildenden Schulen). Zumindest nicht von Fachleuten. Die Folge ist jene bedenkliche emotionale Interpretation von wirtschaftlichen Ereignissen, die wir sogar bei einzelnen Personen feststellen müssen, die unser Hohes Haus bevölkern, jene Institution also, die schließlich die Formalverfassung unseres Wirtschaftslebens festlegt. Soweit Lehrbücher vorhanden sind, müssen sie auf Grund der Ansprüche der Lehrpläne oder weil sie sonst bei den Wissenschaftlern nicht ankämen, Formulierungen wählen, die nur im Rahmen eines Studiums, also durch „Anstrengung”, zur Wissensannahme führen.

Das vorliegende Buch, das einen der besten Wirtschaftsjournalisten des deutschen Sprachraumes (den Chefredakteur der „Finanznachrichten”) zum Verfasser hat, besitzt alle Vorzüge eines Buches, das .in einen an sich schwierigen Gegenstand einführen soll, ohne daß die Wirklichkeit allzu sehr vereinfacht gezeichnet wird. Vor allem werden jene Fragen in einer im besten Sinn des Wortes leichtfaßlichen Weise dargestellt, die uns heute zum Überlegen aufgegeben sind und zu den Problemen des täglichen Lebens in einer Gesellschaft gehören, deren Angehörige weitgehend auf den Markt angewiesen, also von jenem Komplex abhängig sind, den man als Wirtschaft kennzeichnet. Der Verfasser vermeidet es jedoch, eine systematische Einführung in die Wirtschaftspolitik unseres Landes zu geben, mit der sich das Buch vor allem beschäftigt, würde doch eine solche Systematisierung des Stoffes nicht jene Lebendigkeit der Formulierung sichern, die zum Lesen und zum Zuendelesen des Buches anregt. Die Art der Darstellung, die der Verfasser gewählt hat, entspricht besser dem Zweck des Werkes, das vor allem zum Weiterlesen und zum Überlegen anregen soll, überdies aber ein Appell an die Vernunft sein soll, deren man sich in der Beurteilung wirtschaftlicher Fragen oft in einer bemerkenswerten Art enthält Wenn vom Budi festgestellt wird, daß es „leichtfaßlich” geschrieben ist (unter manchen Wissenschaftlern oft eine vornehme Form der Kritik), so ist damit keineswegs gesagt, daß es nur die Außenwand der Probleme anleuchtet. Im Gegenteil: Der Verfasser geht oft und oft in die Tiefe der Probleme, Leichtgemacht ist nur die Beispielgebung und dies lediglich unter pädagogischen Aspekten. Patentregeln werden nicht ange- boten. Dazu kennt der Verfasser zu sehr die Praxis, von der auszugehen zu seinem Beruf gehört. Die Mühe des Nachdenkens ist keinem Leser abgenommen, auch nicht die Mühe der Überlegungen, selbst eine Lösung zu finden.

Das Buch selbst ist derart organisiert, daß in 30 Lektionen wesentliche Fragen unseres gegenwärtigen öffentlichen und privaten Wirtschaftslebens zuerst dargestellt und hierauf erläutert werden. Im allgemeinen handelt es sich um Fragen, auf die wir meist und oft leichtfertig eine Antwort wissen und haben müssen, weil wir den Problemen unvermeidbar begegnen. Die einzelnen Kapitel gehen unter anderem auf die Probleme der Teuerung ein, auf die „Augenaus- wischerei” des Index, den Slogan von der Versachlichung der Wirtschaftspolitik, die kostendeckenden Preise, den Ausverkauf der Wirtschaft Österreichs, die Geldwertverschlechterung („fabriziert der Staat die Inflation?”) und die Verstaatlichung eines großen Teiles des originären Einkommens.

Man muß als Leser und Rezensent nicht bei jedem Kapitel der Meinung des Verfassers sein. Würde man einen Katalog der abweichenden Meinungen festeilen, wäre im gegebenen kaum dem Sinn einer Rezension Rechnung getragen, die in erster Linie festzuhalten hat, ob dem pädagogischen Anliegen Rechnung getragen wurde, selbstverständlich bei Wahrung der Bindung an die wissenschaftlichen Erkenntnisse. Das ist nun geschehen. Das Werk von Horst Knapp ist eine der besten Einführungen in wesentliche (keinesweg in alle) Probleme der Wirtschaftspolitik — vor allem Österreich. Man kann weitergehen und sagen: Es gibt derzeit kein Buch in Österreich, das besser in die aktuellen Fragen unserer Wirtschaftspolitik einzuführen vermöchte, als das vorliegende Werk. Dkfm.

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