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Klare Sprache, harte Arbeit

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Beneidenswert, wieviele Politikkritiker - spaltenauf, kolum-nenab- um die Zukunft der Koalition Bescheid wissen. Auch nach der „großen Veränderung" bleibt die Konstante des Verdrusses, die ihren tieferen Grund offensichtlich nicht nur in den Köpfen der Regierenden, sondern auch in der Stimmung der politischen Beobachter hat. Viele diagnostizieren „Siechtum" und ein Ende vor der (Wahl) Frist. Wenns so kommt wie sie gesagt haben, können sie später auf ihre prognostischen Fähigkeiten verweisen; wenn nicht, wird sie niemand belangen. Spekulationen ä la baisse gehört ja zur Erstausstattung der hiesigen Mentalität. Schmunzelnd bezeichnen wir uns als Weltmeister im Bergabgleiten und als Untergangssachverständige. Allzuleicht wird in diesem Land ein Optimist (ein wagemutiger Unternehmer, ein visionärer Politiker, einer, der für etwas kämpft, ohne den sicheren Sieg in der Tasche zu haben), für einen belächelnswerten Trottel gehalten.

Aber was soll's? Selbst wenn das Regieren in einer unruhigen Gesellschaft bleibend schwieriger geworden ist, das Ergebnis der letzten Nationalratswahl mehr Turbulenzen vorprogrammierte und Konflikte aufgrund der Konstellation vorhersehbar sind -mit Gejammer und düsteren Ahnungen kann man weder eine Firma noch einen Staat führen.

Also beschließen wir, daß es nur besser werden kann. (Wie schon so oft. Aber nur wer strebend sich bemüht, kann einst einmal anders sein). Politik ist auch Verständigung über das Wichtige. Dazu gehört nicht die Frage, ob die Künstler einen eigenen Minister haben, ob wir uns vor dem Ausland mit den Vignetten blamieren oder ob die Suche nach einem Finanzminister zwei Tage oder zwei Wochen dauert. Wohl aber die Frage nach künftigen Arbeitsformen, Ausbildungswegen und den möglichen Generationenkonflikten, die um ein gerechtes Sozialsystem entstehen können; dem Staat „gehört" (auch in der minimal-state-Version) jedenfalls die Sorge um die innere und äußere Sicherheit - nicht hingegen die Haus-haltsrollendefinition. Halbe-halbe-Vorschriften von Staats wegen ist ein ganzer Ministerin-Ausscheidungsgrund. Nicht nur die Gegenstände und Grenzen des Politischen sind zu bestimmen, sondern auch die Formen der politischen Kultur sind zu wahren und zu entwickeln. Und nicht bloß die Regierungsparteien sind zu befragen, was sie an Vorschlägen zu bieten haben; auch die Oppositionsparteien -die in dieser Konstellation mehr Gewicht haben - sind abzuklopfen. Erst das ermöglicht Auseinandersetzung und Bewertung. Wäre mehr von Inhalten der Politik die Rede und Schreibe, träte das beliebte Spiel „wer kann mit wem", „wer ist mit wem seit wann per ,Du"', „wer will mit wem" und „wer darf mit wem dürfen" („Klima darf alles" - laut Bürgermeister Häupl) in den Hintergrund. Auch die Frage, ob des neuen Kanzlers zahnvolles Lachen einige Wähler vom Haider-Grinsen abzieht, bliebe auf Bildmagazine und Reports, die auf Körpersprache fixiert sind, beschränkt.

Sicher war in der Regierung eine Reform an und in Köpfen nötig, aber auch in den Köpfen der mehr oder weniger professionellen Beobachter ist Änderung erforderlich."Wenn letztere nach „flapsigen Sagern" und „mediengerechten Events" gieren und den Erfolg eines Politikers danach bemessen, wie er in der Meinungsforschung ankommt, tragen sie Mitschuld an einer Fehlallokation politischer Ressourcen. Sie verstärken die Tendenzen, deren Ergebnisse sie beklagen (Oberflächlichkeit, inszenierte Politik, das Solettiprinzip des Immer-adabei-sein-Müssens et cetera).

Offensichtlich hat es sich noch nicht herumgesprochen, daß ein Politiker höchste Beliebtheitswerte mit großen Wahlverlusten kombinieren kann (Kreisky 1983, Vranitzky 1986-1994). Auch das herzliche Zugehen auf die Menschen, von Bürgermeister Häupl 1996 geübt, ist ganz offensichtlich kein hinreichendes Erfolgsrezept.

Auch der „Turbo" ist es nicht - selbst wenn er den Ungeduldigen entgegenzukommen scheint. Also was dann? — Ich fürchte, es ist etwas sehr Langweiliges: harje Arbeit, ausdiskutierte umsichtige Entscheidungen ohne Hysterie, eine klare Sprache, das gemeinsame Tragen gemeinsamer Entschlüsse (auch wenn es unangenehme Nebenwirkungen der notwendigen Reformen gibt) und das Bewußtsein, daß all dies nur notwendige aber keinesfalls hinreichende Erfolgsbedingungen sind. Auch die (internationale) Situation, die europäische Großwetterlage, die Mega-Er-eignisse im Wahljahr müssen stimmen. Wie heißt es beim österreichischen Nationalheiligen J. N. Nestroy: „Wenn der Zufall nicht war', wieviel gelinget denn in der Welt? Der Zufall ist die Muttermilch, an der sich jeder Plan vollsaugen muß, wenn er zum kräftigen Erfolg heranreifen soll."

Der Autor ist

Leiter des Fessel-GfK-Marktforschungsinstituls

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