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Der arabische Wustenreiter

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Die große Idee, die der neugewonnene* Friede darstellt und die Hoffnung der Völker Europas, auf lange Sicht ohne Krieg zu leben, wird noch immer von Zusammenstößen und gewesenen neuaufgefrischten Konfliktstoffen gestört. Im Augenblick werden soviel ungeklärte Fragen angeschnitten, daß man leicht geneigt ist, über eine Gegebenheit hinwegzusehen. Wenn man aber die Geschichte der arabischen Staaten in der letzten Zeit betrachtet und auf die Forderungen des indischen Moslemführers horcht, dann möchte man in dem Dämmern konw mender Tage fast schon die Konturen einer Pan-moslemitischen Union erkennen, die von

* den Bergen des Himalaya bis zu den steilen Abhängen des Rifs in Nordafrika reicht. Hier erweisen sich die religiösen Bindungen und die gemeinsame Lebensart stärker als die von der Politik gezogenen Grenzen. Nicht

“ nur die gleiche Stellungnahme der arabischen Staaten gegenüber dem Palästinaproblem, nicht nur die Forderung Syriens und Libanons nach Abziehurjg der fremden Truppen sind Anzeichen für eine starke Aktivität des mohammedanischen Orients, auch die Neufassung des anglo-ägyptischen Paktes, der Besuch des König Ibn Saud in Kairo, bei dem auch Abdel Rahman Arzam Pascha, der Generalsekretär der arabischen Liga, beigezogen wurde und die Forderung des indischen Moslemführers Jinnha, der die Unabhängigkeit eines Staates, der alle Unabhängigkeit eines Staates Pakistan, der alle metischen Moslems umschließt, fordert, sind ein Hinweis dafür. Ein geschwächtes, vom Kriege zerrissenes Europa sieht sich einer starken Türkei, einem starken Staatenbund der arabischen Fürsten und ausgeprägten nationalen Bestrebungen der noch nicht vereinigten Mohammedaner gegenüber. In besonderen Gesten, wie zum Beispiel dem bevorstehenden diamantenen Jubiläum des geistlichen Oberhauptes der Moslim, Aga Khans, der von 200 Millionen - An-* hängern „des allein seligmachenden Glaubens des Propheten“ sein Körpergewicht in Dia-* manten zum Geschenk dargebracht bekommt, erkennt man auch den tiefen politischen und religiösen Hintergrund. Haben w i r etwas Ähnliches zu bieten? Auf der UNO.-Tagung in London zeigte es sich, daß noch viele Probleme zwischen den europäischen Völkern ungeklärt erscheinen. Vielleicht können die Großmächte noch nicht von der alten These abweichen, daß die Gefahr eines' neuen Kon-* fliktes immer am alten Kontinent herauf-* beschworen wird. Europa hat das Schwert aus der Hand gelegt. Es hat nicht mehr die Kraft zu kämpfen und seine Aufgabe ist vor allem einen in Jahrhunderten erworbenen Kulturbegriff des christlichen Abendlandes zu hüten und zu bewahren. Die Kraft der großen mohammedanischen Welt, die von ihren politisch begabten Führern einen großen bestimmten Weg vorgezeichnet bekommt, ist nicht zu unterschätzen. Vor Jahren erschien einmal ein Buch eines Ing. Weisseis unter dem Titel: „Allah il Allah“. Darin wurde schon die Auffassung vertreten, daß der arabische Wüstenreiter', der sein Pferd vor gar nicht langer Zeit bis vor* die Tore Wiens führte, nicht tot sei, er mache nur eine Periode der Sammlung aller Kräfte durch, im Herzen aber schlummere noch immer die Idee der Bekehrung der Ungläubigen. Es ist wenig bekannt, daß der Islam auch heute noch bis ins Innere Afrikas eine starke Ausbreitung entfaltet und jährlich mehr neue Anhänger für seinen Glauben wirbt, als alle christlichen Missions-* gesellschaften zu gewinnen vermögen. Ein einiges Arabien auf der UNO.-Tagung, eine gemeinsame Stellungnahme im Palästina-! problem, wechselseitige Beziehungen, die aber im großen und ganzen den übrigen Staaten verborgen bleiben, durch eine Kette von Sym- pathie für die gemeinsame Sache und eine ge- meinsame Religion verbunden — kann Europa; sich dem entgegenstellen? Und es ist seltsam: Zu dieser Zusammenballung der Massen des Islam gibt ihre gemeinsame Religion! Antrieb und formt die Gemeinschaft. Viel-* leicht ist es nur das englische Empire, das das neue Erwachsen im vorderen Orient richtig erfaßt hat und bereits beginnt, durch Anerkennung der vollen Freiheit sich Freund-* Schäften zu erwerben. Vielleicht hat auch Rußland es erkannt; das Resteuropa ist nach dem erlittenen Blutverlust scheinbar zu müde, um nachdenklich zu werden.:

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