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WESEN UND FORM DER DIALEKTIK. Von Robert Heiß. Verlag Kiepenheuer und Witsch, Köln. 191 Seiten. Preis 12.80 DM.

Auf dem Grund einer umfassenden Kenntnis der klassischen Dialektiker (von Hegel zu Marx, Nietzsche und Kierkegaard) unternimmt Heiß eine dankenswerte Aufgabe, die Phänomenologie der Formen der Dialektik überhaupt in ihrem Gegensatz zu einer linearen Logik darzustellen. Nietzsche und Kierkegaard sind ihm mit Recht die ausgeprägtesten Formen der Dialektik, Nietzsche, der die Dialektik vom Widerspruch her versteht, Kierkegaard, der sie im Paradoxon sichtet (Seite 66 ff.). Er sieht das ganze Gebiet der Dialektik als unvollendet und fordert eine „kritische Form der Dialektik“ in einem „deskriptiv kritischen Verfahren“ (Seite 182 ff.), ohne daß eine solche Lösung klar hervorträte. Zwar sucht er bestimmte Prinzipien der Dialektik herauszustellen: die „unstabile Wahrheit“, die „Bewegung", die „Negation“, der „zeugende Widerspruch“, die „dialektische Stufenfolge" (Seiten 131 bis 160). Er sieht auch, daß das dialektische Denken ein Denken sein will, das sich der logischen Unergründlichkeit des konkret Realen anpassen möchte und also von selbst das „existentielle Denken“ empor- treibt… Aber es gelingt ihm nicht, jene letzte Problematik überhaupt zu ersichten, wie sie zwischen „essentialem" und „existentialem“ Denken spielt, entsprechend zur Seins-Problematik zwischen „essentia“ und „existentia“.

RELIGION AND CULTURE. Essays ln honor of Paul T i 11 i c h, edited by Walter Leibrecht (Pg. 398). Harper and Brothers, New York.

Diese Festschrift zu Ehren des 70. Geburtstages von Paul Tillich ist zu einer Art dialektisch ökumenischer Theologie geraten: nicht nur durch die Zusammenarbeit evangelischer und katholischer Theologen, sondern mehr noch dadurch, daß alle Gegensätze des Christlichen in ihr sich gegenübertraten: die Gegensätze Karl Heim, Karl Barth, Erich Przywara und Emil Brunner; die Gegensätze Karl Jaspers, Karl Löwith, Gabriel Marcel und Helmut Tielecke. Man ist versucht, diese „coinci- dentia oppositorum" auf die Grundstellung Paul Tillichs selbst zurückzuführen: wie er einst Schellingsche Polaritäten in seinen ersten Schriften zu erneuern suchte. Aber darüber hinaus ist das Wer je in sich selbst das einzigartige Dokument für die innerchristliche Problematik der Gegen- Warf. Die einzelnen Arbeiten sind nicht mehr reine Standpunktarbeiten, sondern visieren die Vielheit innerchristlicher Richtungen nicht so sehr gegeneinander, sondern zueinander: wie etwa Karl Barth überraschend das Katholische in der Musik Mozarts besser versteht und würdigt als je ein Katholik vor ihm, oder wie Karl Löwith seine philosophische Aporetik, „Von den Vor-Sokratikern zu Heidegger“, so durchführt, daß scholastischer Denkstil darin sich zeigt. So sehr die Festschrift für den nach Amerika emigrierten Tillich „amerikanische Luft“ atmen mag (einer wachsenden Reduzierung alles Dogmatischen in eine „natürliche Religiosität“), so ist ihr Kern doch im Frankreich und Deutschland heutiger echt christlicher Problematik zu Hause: im Frankreich Pascals und im Deutschland Schellings.

VOM MENSCHEN. VOM BÜRGER. Von Thomas H o b b e s. Übersetzt und heraus- gegeben von Günther Gawllck. Felix- Meiner-Verlag, Hamburg (Philosophische Bibliothek, Band 158). 338 Seiten. Preis 18.50 DM.

Gawlick verbindet mit Recht die zwei Schriften Hobbes’, „Vom Menschen“ und „Vom Bürger“, in dieser vorzüglichen deutschen Ausgabe zu einem Ganzen einer Anthropologie, die nur an der Oberfläche eine neutral soziologische ist, im Untergrund aber eine religiös-kalvinistische. Sie bewegt sich darum im Widerspruch der zwei Worte „Mensch ist ein Wolf für den Menschen" und „Mensch ist ein Gott für den Menschen“ (58). Erst darum, weil der Mensch „Gott“ und „Wolf“ in einem ist, ergibt sich einerseits die Notwendigkeit des Staates als alleiniger Kirche, so daß „die Kirche und der christliche Staat… dasselbe“ sind (310), bis der Staat, gegenüber dem Widerspruchmenschen von „Gott“ und „Wolf“, der „Leviathan“ werden muß, der diktatorisch über diesen Menschen regieren muß (vgl. die Ausgabe des „Leviathan“ von Carl Schmitt), während anderseits dieser Zwangszustand zwischen anarchischem Menschen und diktatorischem Staat eschatologisch über sich weist in den kommenden „Eintritt in das himmlische Reich“ (Kapitel 18), wenngleich Hobbes diesen tragisch religiösen Etatizismus doch wieder kontrastiert durch seine Gründung des gesellschaftlichen Lebens auf das, „was Lachen erweckt“, Lachen des einen über den andern (77). Hobbes wird so der Schöpfer einer ausdrücklichen Anthropologie des „Menschen als Karikatur seiner selbst", schärfer und kühler als Schopenhauer, gegen ein utopisches Angelsachsentum — aber auch gegen die Utopien des kommunistischen Etatizismus.

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