Nachrichten vom Rand der Welt.
Die Mühen und Krämpfe, das Täuschen und Tarnen rund um die Suche nach einem EU-Kommissionspräsidenten nehmen sich, gemessen an den Vorgängen bei der Bestellung des neuen Intendanten der Salzburger Festspiele, im Rückblick vergleichsweise harmlos aus. Dann jedenfalls, wenn man die doch sehr unterschiedliche Dimension der beiden Entscheidungen berücksichtigt - sowohl was die Bedeutung der zu besetzenden Ämter, als auch was Anzahl und Gewicht der in den Findungsprozess involvierten Personen betrifft. Salzburger und Wiener Berge haben gekreißt und gebaren - zumindest nichts, das besonders neugierig machte: keinen "neuen Karajan", also keine überragende künstlerische Gestalt, die einem Festival ihren unverwechselbaren Stempel aufprägen könnte; aber auch keinen "zweiten Mortier", also einen Impresario mit unbändiger Lust zur permanenten Irritation und Verstörung (dass es vor Mortier nichts Zeitgenössisches, Innovatives in Salzburg gegeben hätte, zählt freilich zu den Legenden, die durch ständige Wiederholung nicht wahrer werden).
"Keine Panik", "seriöse Zwischenlösung", ruft uns ein Kommentator zu. Ja, schon recht - und entscheidend ist die Qualität des Programms, nicht der Name bzw. das Image des Intendanten. Aber mutig, nein, das kann man diese Entscheidung beim besten Willen nicht nennen.
Wir sind es freilich schon gewohnt: Was hat nicht der Küniglberg gekreißt, nicht weniger als eine zeitgemäße Neudefinition von "öffentlich-rechtlich" hatte die damals neue VP/FP-Regierung in Aussicht gestellt. Herausgekommen ist die Intendantin des Landesstudios Niederösterreich, die eben angedroht hat, ab 2006 für eine zweite Amtszeit zur Verfügung zu stehen. VP-Klubchef Wilhelm Molterer findet "ganz toll", dass Lindner das sagt und bescheinigt ihr, dass sie "einen sehr guten Job macht".
Am Montag dieser Woche etwa konnte man sich davon ein Bild machen: Breit ausgewalzte Spitzenmeldung in der ZIB 1 - immerhin das Flaggschiff der ORF-Information, die ihrerseits jene Säule ist, an der sich die Qualität eines Senders wie des ORF messen lassen muss - war die (zuvor bereits live übertragene) Heimkehr der österreichischen Olympioniken. Ganz eines Sinnes mit der Kronen Zeitung durften sich die Verantwortlichen hier übrigens wissen, hatte das Blatt doch, schon seit Tagen im nationalen Taumel, am Montag auf Seite 1 unter der Ankündigung der Live-Übertragung die Linie vorgegeben "Heute feiern wir unsere Helden!" Thema in Thema war dann - wer sonst? - Silberschwimmer und Goldbub Markus Rogan; und zur Abrundung kamen die drei Goldmedaillen-Gewinner als Studio-Gäste in die ZIB 2. - Willkommen Österreich!
Nebensächlichkeiten, wie beispielsweise die ausstehende Nachbesetzung des Außenministeriums, treten solcherart in den Hintergrund. Weshalb wir den Nachfolger oder die Nachfolgerin Benita Ferrero-Waldners noch nicht kennen? "Deshalb", würde der Kanzler, charmant und umgänglich, wie er nun einmal ist, antworten. In "Zeiten wie diesen" sollen wir keine dummen Fragen stellen, haben uns schon SP-Regierungen via Plakat beschieden. Und in der Politik sind eben immer "Zeiten wie diese", schwierige Zeiten also, auch wenn "neu regiert" wird. Wir wollen daher nicht unbotmäßig drängen und nehmen bis auf Weiteres an, die Entscheidung werde sich nicht substanziell von anderen personellen Weichenstellungen dieser Regierung abheben.
Dazu zählt auch jene, die den Wechsel an der Spitze des Außenamts notwendig gemacht hat - die Entsendung des österreichischen Vertreters in die EU-Kommission. Ohne an Ferrero-Waldners europäischer Gesinnung und fachlicher Kompetenz zu zweifeln: Sie ist von ihrer Struktur jener bei den Salzburger Festspielen nicht unähnlich. Nach den Erfahrungen mit Fischler/Karajan/Mortier scheut man Busek/Welser-Möst/... und setzt auf Unstrittig-Unanstößiges wie Ferrero/Flimm.
Der Regierung gefällt's, die Opposition wird so recht und schlecht bei Laune gehalten - und die Leitmedien des Landes schreiben und senden immer aufs Neue ihre österreichische Heldensaga.
rudolf.mitloehner@furche.at
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