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Die Stunde der Exekutive?

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Es ist nun nicht so, daß irgend jemand in der Bundesrepublik Deutschland leichten Herzens Vorsorge für den Fall eines äußeren Angriffs oder eines antidemokratischen Umsturzversuches, der ja nicht unbedingt nur von links zu kommen braucht, träfe. Die Erfahrungen mit dem von einem demokratisch gewählten und in seinen Verhandlungen noch relativ freien Reichstag vor nunmehr 35 Jahren Hitler bewilligten Ermächtigungsgesetz sind in allen Bundesparteien gleich lebendig. Daher war der Weg von den ersten, im Bundesinnen- mini'sterium fertiggestellten Entwür-

Das neue Musische Knabeninternat „Exultate“, das sich in A-2572 Kaumberg im Wienerwald befindet und an der Barockstraße liegt, nimmt im kommenden Schuljahr Knaben aller Altersklassen und Schultypen auf. Späterer Übertritt in den Sängerknabenchor möglich. Modernes Haus, am Waldesrand gelegen, bietet den Knaben besten Aufenthalt.

Anmeldungen und Anfragen bei der Internatsleitung. Wegen beschränkter Aufnahmezahl wird um baldige Anmeldung gebeten.

fen zu den Vorlagen, wie sie heute aussehen, nicht nur lang, sondern auch weit. Das Wort des damals zuständigen Ressortministers Gerhard Schröder, der inzwischen an die Spitze des Auswärtigen Amts und zuletzt des Verteidigungsministeriums gelangte, die Stunde des Notstands werde die Stunde der Exekutive sein, hatte zwar historische Vorbilder für sich, entspricht aber nicht mehr der Auffassung seiner eigenen Partei, geschweige denn ihres Koalitionspartners oder gar der (parlamentarischen und außerparlamentarischen) Opposition. Schritt für Schritt kam die CDU CSU den Bedenken der Kritiker entgegen, so daß sie ausgeräumt sein müßten — es sei denn, man halte jede Vorsorge für überflüssig. Das ist in der Tat die Auffassung der Gewerkschaften, die die Bestimmungen des Grundgesetzes und des Strafgesetzbuchs für ausreichend halten. Nach einigem Schwanken haben sich die Freien Demokraten dieser Anschauung angenähert, ohne sie ganz zu übernehmen. Für den militanten Teil der außerparlamentarischen Opposition ist natürlich alles undemokratisch, was die Übernahme der Gewalt durch sie mit einigem Risiko verbinden könnte. Darin stimmen ihnen die Professoren bei, die keine Gelegenheit vorbeigehen lassen, ihre Ableh-

nung des in der Bundesrepublik bestehenden Systems zu bekunden. Diese Auffassung zu äußern, bleibt ihnen in dem „faschistoiden“ Staat unbenommen, und die „Hearings“ im Spätherbst 1967 erlaubten es ihnen, sie sogar ins Angesicht des Bundestags zu wiederholen. Ebenfalls vernommene Ausländer durften zwar sagen, daß in ihrer Heimat, der Schweiz etwa, Notstandsvorsorge eine bare Selbstverständlichkeit sei, aber für gelernte Marxisten ist das ohne Belang. Noch weniger beeindruckt sie, daß auch die „sozialistischen“ Staaten nicht ohne Sicherheitsvorkehrungen gegen einen äußeren Angriff oder inneren Aufruhr auskommen, was für sich allein noch kein Grund wäre, ihren Regierungen die demokratische Legitimation zu bestreiten. Ulbricht, dessen Sprachrohre eifrig gegen die Bonner Gesetzpläne agitiert haben, weiß ganz genau, was für die „Stunde X“ in seiner „DDR“ vorgesehen ist, aber das hindert nicht, daß sich die

Argumentation seines Propagandaapparats auf unangenehme Weise in den Auslassungen der Westberliner und westdeutschen außerparlamentarischen Opposition wiederholt, obwohl an der aufrichtig demokratischen Gesinnung ihres zahlenmäßig stärksten Bestandteils, eben der Gewerkschaften, Zweifel nicht erlaubt ist.

Streikredit gesichert

Daß die Vorlagen die Bundestagsausschüsse nicht unverändert passiert haben, liegt auf der Hand. Dann gibt es immer noch die Möglichkeit der Abänderung durch das Plenum. Bekannt ist aber, daß das sogenannte „Notparlament“, ein für den Fall der Funktionsunfähigkeit der Legislative vorgesehener Ausschuß, der besondere Gegenstand scharfer Angriffe aus dem Inland und dem potentiell feindlichen Ausland, erst mit seiner Arbeit beginnen darf, wenn der Bundestag den Notstand mit Mehrheit festgestellt hat. Wie das technisch zu machen ist, unter den Bedingungen wie eines, selbst auch nur mit konventionellen Waffen geführten Krieges, wird bei der Festsetzung der Durchführungsvorschriften Phantasie und Kühnheit erfordern. Das Streikrecht, in

Normalzeiten von niemand bestritten, soll auch während des Notstands aufrechtbleiben. Kein Zweifel, daß so integre Männer wie der DGB-Vorsitzende Ludwig Rosenberg dabei nur an Lohnkämpfe denken. Auch hier wird man sich noch nach der Verabschiedung der Gesetze bei den Durchführungsvorschriften den Kopf zerbrechen müssen. So erfreulich es ist, mehr Geld zu bekommen, es verliert an Interesse, wenn man unter rauchenden Trümmern nach einem Überlebenden suchen muß, der es auszahlt.

Wie gesagt, der außerparlamentarischen Opposition ist kein Notstandsrecht schmackhaft zu machen, auch nicht ein bis zur Unkenntlichkeit abgemildertes. Neuerdings propagiert sie den Gedanken, daß über so eingreifende Gesetze nur durch Wahlen entschieden werden könne, also nicht vor Ende 1969. Offenbar ist die Vertagung eines neuen Wahlrechts durch den sozialdemokratischen Parteitag das Vorbild dieses Manövers, von dem allerdings nicht zu erraten ist, was sich die Initiatoren dävon versprechen — es sei denn die vage Aussicht, die Parteien der Großen Koalition könnten sich im Wahlkampf rettungslos zerstreiten.

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