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Noch ist der gesunde Menschenverstand stärker

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John Birch, nach dem die Gesellschaft ihren Namen trägt, war ein amerikanischer Missionär, der im Kriege für eine amerikanische Abwehrstelle arbeitete und 1945 von den chinesischen Kommunisten hingerichtet wurde. Er gehörte den nicht gerade für ihre Toleranz berühmten südlichen“ Baptisten an. Seine Mutter sagte jetzt stolz über ihn: ,,Er’haßte alles, was unistürilerisch war.“ Somit war er anscheinend einer-jeher Missionäre, die, wie es, in der ü,Dritten Kraft" von Friedrich Heer so prägnant heißt, versuchen,» „geistige, seelische, kulturelle Strahlungen und Einwirkungen zu verbinden mit politischer Bekehrung zum eigenen Lebens- und Denkstil".

Es regt sich natürlich auch Widerstand gegen die Gesellschaft, der füh rende Zeitungen, wie die „Los Angeles Times“, ein so unverhältnismäßig großes Maß von Publizität geben, daß man die Absicht dahinter wittert. Senatoren verlangen eine Untersuchung, unabhängige Journalisten wettern gegen sie, und J. Edgar Hoover, der Chef der FBI, der als größte äntikömmunistische Autorität verehrt wird, warnt davor, die anti- kommünistische Front aufzusplittern.

Auch der amerikanische Commön- sense, also der gesunde Menschenverstand, wird es der John Birch Society nicht leicht machen. Davon erhielt man bei der Versammlung in Los Angeles eine kleine Probe. John Bir- cher sagte einem der Opponenten, die vor der Halle mit Schildern mit unfreundlichen Aufschriften Posten schoben: „Du willst ja nur deine Neu rose abarbeiten.“ — „Arbeitet ihr eure Neüroseh da drinnen ab und wir werden unsere hier draußen abarbeiten“, gab der Gegner zurück.

Ob man nun pessimistisch meint, Hugenberg sei zur Stelle, die Nationalsozialisten seien da, und nur der Hitler fehle noch, um die Harzburg-Front zu komplettieren, oder ob man glaubt, die Gegensätze würden sich auf amerikanische Weise, mit viel Reden zum Fenster hinaus, aber ohne Totschlag, lösen, eines ..ist sicher: die Lente des Mittelweges beginnen in eine Zwickmühle zu kommen. Das beste Beispiel hierfür ist Richard Nixon, der unterlegene Präsidentschaftskandidat. Er begründete seinen Anspruch, die Partei zu führen, gerade damit, daß er der Mann des Ausgleichs zwischen dem rechten Flügel der Republikanischen Partei unter Goldwater und dem linken unter Roeke- feller sei. Immer energischer aber macht Goldwater ihm diesen Anspruch streitig und besteht darauf, daß der Kampf um die Führung nur zwischen ihm und dem Gouverneur von New York ausgetragen wird. Schon verbitten sich republikanische Senatskandidaten die von Nixon angetragene Schützenhilfe. Sie wollen nur von Goldwater Hilfe. Die Öffentlichkeit aber wird immer skeptischer gegenüber Nixons Chancen, nochmals für die Präsidentschaft aufgestellt zu werden. So droht der Republikanischen Partei jener Verlust der Mitte, der die Voraussetzung für den Sieg der Radikalen ist.

Vorläufig ist der Vormarsch der reaktionären Kräfte in der Republikanischen Partei am sichtbarsten. Aber auch in der Demokratischen Partei gibt es, nicht nur Unter den südstaatlichen Mitgliedern, starke reaktionäre Kräfte, und zwar selbst unter den Gewerkschaftsführern, auf deren Unterstützung die Demokraten angewiesen sind. Der vorläufig noch im liberalen Fahrwasser segelnde Präsident hat seine Mitarbeiter aus den Vertretern beider Richtungen genommen. Wie lange es dauern wird, bis es zu einem Machtkampf zwischen diesen kommen wird, ist die große Frage.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß in Amerika nicht der Faschismus, sondern das Anwachsen einer aus nackter Angst, geistiger Beschränktheit und wirtschaftlichem Egoismus erzeugten reaktionären Bewegung das unmittelbare Problem ist. Wie ihre Vorgänger werden auch diese Reaktionäre lernen, daß sich die Uhren der Geschichte nicht zurückstellen lassen. Aus dieser Blockierung könnte aber eine faschistische Neurose erwachsen. ,

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